Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Sternenschwarm

Der Sternenschwarm

Titel: Der Sternenschwarm
Autoren: Brian W. Aldiss
Vom Netzwerk:
rannten sie bereits wieder nach unten. Die Türen flogen nochmals auf, und sie schossen, ohne zu überlegen. Diesmal wurde zurückgeschossen. Ein Mann der Gruppe schrie auf und fiel kopfüber die Treppe hinab. Seine drei Kameraden liefen an ihm vorbei in den Wald.
    Der Oberst führte die beiden Überlebenden auf einem anderen Weg zurück. Dies war der leichteste Teil ihres Auftrags; der Gegner erwartete sie nicht aus dieser Richtung, so daß sie seine Stellungen hinter sich ließen, bevor er einen klaren Entschluß fassen konnte. Weit hinter ihnen brannte die Wetterstation und schickte dunkle Rauchschwaden in den bleifarbenen Morgenhimmel.
    Sie hatten vier Meilen zu laufen. Nach der zweiten Meile ließ die Wirkung der Droge allmählich nach. Der Oberst merkte, daß sein Gehirn plötzlich nicht mehr anomal klar funktionierte, sondern von Zeit zu Zeit auszusetzen schien. Er rannte weiter.
    Nach der dritten Meile brach einer seiner beiden Männer lautlos zusammen. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen, und er schlug der Länge nach wie ein gefällter Baum zu Boden. Er war völlig ausgebrannt. Die beiden anderen liefen weiter.
    Der Oberst und sein Begleiter erreichten den vereinbarten Treffpunkt. Dort blieben sie zuckend liegen, bis der Tragschrauber herabsank. Inzwischen lagen dort zwölf Männer, die unkontrollierbar mit Armen und Beinen zuckten – die Überlebenden der fünf Gruppen. Zwei Sanitäter schnallten sie auf Tragbahren fest und gaben ihnen Beruhigungsspritzen.

     
    Plötzlich war es zwölf Stunden später, obwohl erst Sekunden vergangen zu sein schienen.
    Der Oberst saß wieder in der Kantine. Trotz der Erschöpfung, die er in allen Gliedern spürte, war er hierher gekommen. Er hatte ein Rendezvous mit Mary.
    Der Lärm um ihn herum schwoll an, als die Stimmung sich ihrem Höhepunkt näherte. Viele der Männer, die sich hier betranken, hatten tagsüber wie der Oberst dem Tod ins Auge gesehen; viele würden ihm morgen bei diesem oder jenem Einsatz begegnen. Es war ihre Pflicht, irgendwie zu überleben: ihre Gesundheit befand sich in Schluckkapseln.
    Der Oberst saß am Ende eines langen Tisches mit dem Rücken zur Wand und hielt einen Stuhl neben sich frei, als die Kantine sich langsam füllte. Der Lärm tat ihm in den Ohren weh. Er hielt nach Mary Ausschau.
    Als die erste halbe Stunde vergangen war, wurden seine Befürchtungen wach. Er kannte nicht einmal ihren richtigen Namen. Die Ereignisse des vergangenen Tages hatten die Erinnerung an ihr Gesicht ausgelöscht. Sie hatte gelächelt, ja. Sie hatte ganz durchschnittlich ausgesehen, ja. Aber das war alles, woran er sich noch erinnern konnte – das und eine schwache Hoffnung, die sie in seinem Herzen erweckt hatte.
    Eine Stunde verstrich, aber der Platz neben ihm blieb leer. Der Oberst blieb unbeweglich sitzen und ertrug geduldig den Lärm. Vielleicht war Mary irgendwo mit dem Betrunkenen, der gestern den Arm um sie gelegt hatte. Der Krach war fast unerträglich, und der Stuhl neben ihm blieb leer.
    Gegen zwei Uhr morgens leerte sich die Kantine allmählich. Der Oberst wußte plötzlich, daß Mary nicht kommen würde. Sie würde nie kommen. Er war nur ein Soldat; der Stuhl neben ihm würde sein Leben lang leer bleiben. Keine Mary würde jemals darauf sitzen. In seinem Leben gab es keinen Platz für Marys. Er bedeckte das Gesicht mit den Händen, als könne er sich in diesen harten Handflächen verkriechen wie in einer schützenden Höhle.

     
    Das war Sergeant Taylors Traum, von dem er laut schreiend erwachte.
    Er weinte vor sich hin, bis der Mann im nächsten Bett nach seiner Schulter griff und ihn heftig schüttelte. Dann kehrte er in die Wirklichkeit zurück, legte sich auf den Rücken und dachte über seinen Traum nach. Dabei vergaß er fast, wie sehr sein geplatztes Trommelfell schmerzte.
    Der Traum war eine wunderbare Mischung aus Realität und Superrealität. Alle Details des Einsatzes waren genau rekonstruiert. Er hatte seine Männer auf diese Weise vor wenigen Stunden zum Erfolg geführt. Die Hyperaktivitätspillen hatten in der Wirklichkeit nicht anders als im Traum gewirkt.
    »Was träumst du eigentlich für einen Quatsch?« erkundigte sich Taylors Bettnachbar. »Hat dich ein Mädchen sitzenlassen oder so ähnlich?«
    Sergeant Taylor nickte langsam, weil er sah, daß die Lippen des anderen sich bewegten. Nun, schließlich hatte er gewußt, daß unliebsame Nebenwirkungen auftreten konnten. Vielleicht wurde eben jetzt irgendwo ein Mittel
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher