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Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte
Autoren: Ian Fleming
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erfahren. Aber halten Sie sich fern von diesen Männern. Sie gehören nicht zu Ihnen, ob sie nun James Bond heißen oder Sluggsy Morant. Diese beiden Männer gehören, ebenso wie viele andere, in einen Dschungel, in den Sie sich für wenige Stunden verirrt hatten und dem Sie entronnen sind. Deshalb ist es das beste für Sie, wenn Sie das alles vergessen, den Helden und auch den Bösewicht. Sie sind einfach anders als Sie - eine andere Art von Mensch.« Captain Stonor lächelte. »Wie Habichte und Tauben, wenn Sie diesen Vergleich gelten lassen wollen. Verstehen Sie?« Mein Ausdruck kann nicht viel Verständnis verraten haben, denn die Stimme wurde hart. »Okay, gehen wir.«
    Der Captain stand auf, und ich folgte ihm. Ich wußte nicht, was ich sagen sollte. Mir fiel meine erste Reaktion ein, als James Bond an der Tür aufgetaucht war: O Gott, noch einer von der Sorte! Doch ich entsann mich auch seines Lächelns, seiner Küsse, seiner Umarmung. Kleinlaut trottete ich neben dem breitschultrigen Mann her, der mir seine gutgemeinten Gedanken vorgetragen hatte, und ich konnte an nichts anderes denken als an ein üppiges Mittagessen und ein warmes, bequemes Bett, mindestens hundert Kilometer vom Dreamy Pines Motel entfernt.
    Als ich aufbrach, war es zwölf Uhr mittags. Captain Stonor prophezeite mir, daß sich die Presse auf mich stürzen würde, doch er versprach, sie so lange wie möglich hinzuhalten. Über James Bond dürfte ich erzählen, was ich wollte. Nur von seinem Beruf und seinem Aufenthaltsort sollte ich nichts erwähnen. Er war einfach ein Mann, der im richtigen Augenblick erschienen und dann wieder seiner Wege gegangen war.
    Ich hatte meine Satteltaschen schon gepackt. Leutnant Morrow schnallte sie an den Roller und schob die Vespa auf die Straße.
    Auf dem Weg über den Rasen sagte er: »Fahren Sie vorsichtig, Miss. Auf dem Weg nach Glens Falls ist alles voller Schlaglöcher. Manche von ihnen sind so tief, daß Sie besser erst hupen sollten, bevor Sie durch ein Schlagloch fahren. Könnte ja sein, daß schon andere Leute mit einer so winzigen Maschine sich darin verstecken.« Ich lachte. Er war sauber und vergnügt und jung, aber nach seinem Aussehen und seinem Beruf zu urteilen, auch hart und abenteuerlustig. Vielleicht entsprach er mehr dem Typ von Mann, von dem ich träumen sollte.
    Ich verabschiedete mich von Captain Stonor und dankte ihm. Dann setzte ich meinen Sturzhelm auf, zog meine pelzverbrämte Motorradbrille über die Augen und trat auf den Kickstarter. Gott sei Dank, die kleine Maschine sprang sofort an. Jetzt wollte ich es ihnen zeigen. Das Hinterrad war noch hochgebockt. Ich hatte es mit Absicht so gelassen. Jetzt ließ ich die Kupplung ziemlich hart einrasten und stieß mich ab. Staub und Steine spritzten auf, und ich schoß davon wie eine Rakete. Vor mir sah die Straße ganz passabel aus, deshalb wagte ich es, mich umzusehen, und hob winkend die Hand. Die kleine Gruppe von Polizeibeamten vor dem niedergebrannten Motel erwiderte meinen Abschiedsgruß. Und dann fuhr ich auf der langen, geraden Straße dahin, zwischen den hohen Fichten, die am Straßenrand Wache hielten. Ich fand, sie sähen so aus, als täte es ihnen leid, daß ich so leicht davongekommen war.
    Der Captain hatte von Narben gesprochen. Ich glaubte ihm nicht. Die Narben meines Entsetzens waren geheilt, ausgelöscht worden von jenem Fremden, der mit einem Revolver unter dem Kopfkissen schlief, dem Geheimagenten, der statt des Namens eine Nummer trug.
    Ein Geheimagent? Mir war es gleichgültig, was er tat. Eine Nummer? Ich hatte sie schon vergessen. Ich wußte genau, wer er war und was er war. Und alles, auch die kleinste Einzelheit, würde für immer in mein Herz geschrieben sein.
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