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Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte
Autoren: Ian Fleming
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gehoben worden war, über den Rasen zur Straße geschleppt wurde. Der Sanitätswagen fuhr heran, und ich wandte mich ab, als ein nasses Bündel vorsichtig auf den Rasen gelegt wurde. Horror! Wieder erinnerte ich mich an die kalten rotschimmernden Augen. Ich spürte die Schläge seiner Hände. Konnte denn das alles wirklich geschehen sein?
    »Und Kopien nach Albany und Washington«, hörte ich den Captain sagen. Dann setzte er sich wieder zu mir. Er nahm seine Mütze ab und legte sie auf den Tisch. Das Zeichen des Waffenstillstandes, die gleiche Geste, die zuvor Leutnant Morrow gemacht hatte. Ich lächelte. Dann kramte der Captain in seinen Taschen und zog eine Packung Zigaretten und ein Feuerzeug heraus. Er bot mir eine Zigarette an und steckte sich dann selbst eine an.
    »Jetzt bin ich nicht mehr im Dienst, Miss Michel«, fügte er mit einem Lächeln hinzu. Er lehnte sich zurück und schlug die Beine übereinander. Plötzlich sah er wie ein Mann mittleren Alters aus, der mit seiner Familie ein Picknick abhielt. Er zog kräftig an seiner Zigarette und blickte dem davonziehenden Rauch nach. »Sie können jederzeit fahren, Miss Michel«, bemerkte er schließlich. »Ihr Freund, Commander Bond, bestand nachdrücklich darauf, daß man Ihnen möglichst wenig Scherereien machen sollte. Es freut mich, daß ich ihm und Ihnen diesen Gefallen tun kann. Und« - er lächelte ein bißchen ironisch - »auf die Genehmigung der Behörden in Washington brauche ich wohl nicht zu warten, wenn ich Ihnen meine Anerkennung ausspreche. Sie waren sehr tapfer und mutig. Sie wurden in ein übles Verbrechen hineingezogen und haben sich vorbildlich benommen. Beide Gangster wurden steckbrieflich gesucht. Ich werde Sie für die Belohnung vorschlagen. Das gleiche gilt natürlich für die Versicherungsgesellschaft, die sicherlich tief in die Tasche greifen wird. Die Phanceys haben wir verhaftet, und Sanguinetti hat sich bereits aus dem Staub gemacht, wie der Commander heute morgen schon richtig vermutete. Wir setzten uns mit Troy in Verbindung, und die Fahndung nach ihm läuft bereits. Sobald wir Sanguinetti gefaßt haben, wird er wegen eines Kapitalverbrechens unter Anklage gestellt werden. Es kann sein, daß Sie dann als Hauptbelastungszeugin auftreten müssen. Der Staat wird Ihre Unkosten in einem solchen Fall selbstverständlich tragen. All das« - Captain Stonor machte eine wegwerfende Handbewegung - »gehört bei der Polizei zur Routine.« Die scharfen blauen Augen blickten forschend in die meinen. »Doch damit ist der Fall noch nicht ganz abgeschlossen.« Er lächelte. »Das ist nicht dienstlich gemeint, Miss Michel; ich interessiere mich lediglich als Privatperson auch für die menschlichen Aspekte.«
    Ich bemühte mich, ein unbefangenes Gesicht zu machen, doch ich war gespannt, was jetzt kommen würde. »Hat dieser Commander Bond Ihnen irgendwelche Instruktionen hinterlassen? Einen Brief vielleicht? Er erzählte mir, er habe Sie heute morgen verlassen, als Sie noch schliefen. Er habe sich gegen sechs auf den Weg gemacht und habe Sie nicht wecken wollen. Natürlich sehr rücksichtsvoll von ihm. Doch« - Captain Stonor vertiefte sich angelegentlich in die Betrachtung seiner Zigarette - »Ihre Aussage und die des Commanders gehen darin überein, daß Sie beide die Nacht in einem Zimmer verbracht haben. Ganz natürlich unter den gegebenen Umständen. Ich kann mir vorstellen, daß Sie nach den Ereignissen des gestrigen Abends Angst hatten vor dem Alleinsein. Doch der Abschied erscheint mir ziemlich abrupt -nach einer so aufregenden Nacht. Ich hoffe doch, Sie hatten keine Schwierigkeiten mit ihm? Er wollte doch - äh - nicht zudringlich werden?«
    Ich errötete vor Ärger und versetzte scharf: »Gewiß nicht, Captain. Ja, er hat mir einen Brief dagelassen. Einen ehrlichen Brief. Ich erwähnte ihn nicht, weil er nichts enthält, was Sie nicht schon wissen.« Ich öffnete den Reißverschluß ein Stück und zog den Brief heraus. Mein Gesicht errötete noch tiefer.
    Er nahm den Brief und las ihn aufmerksam. Dann reichte er ihn mir wieder. »Ein sehr netter Brief. Sehr - äh - sachlich. Das mit der Seife verstehe ich allerdings nicht.« »Oh«, erwiderte ich hitzig, »das war nur ein Scherz. Er behauptete, die Hotelseife sei zu stark parfümiert.« »Aha. Natürlich. Na schön, Miss Michel.« Die Augen blickten wieder gütig. »Hm. Macht es Ihnen etwas aus, wenn ich etwas Persönliches dazu sage? Wenn ich einen Augenblick mit Ihnen spreche, als wären
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