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Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte
Autoren: Ian Fleming
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uns. Der Leutnant nahm seine Mütze ab, zog ein Notizbuch und einen Bleistift aus der Tasche und tat so, als überfliege er seine Notizen, um mir Zeit zu lassen, ein wenig zu essen. Dann blickte er auf und lächelte zum erstenmal. »Machen Sie sich jetzt keine Gedanken, Miss. Ich nehme keine Aussage zu Protokoll. Das erledigt der Captain persönlich. Er wird bald hier eintreffen. Als ich die Funkmeldung bekam, habe ich mir die wichtigsten Tatsachen notiert. Doch dann schaltete sich die Zentrale ein und gab immer neue Anweisungen. Ich mußte den ganzen Weg bis hierher langsam fahren, weil ich alles aufnehmen mußte. Albany interessiert sich plötzlich für den Fall, und sogar die Bonzen in Washington sollen sich eingemischt haben. So etwas ist noch nie vorgekommen. Können Sie mir vielleicht sagen, was Washington mit der Sache zu tun hat? Wie kommt es, daß man dort innerhalb weniger Stunden schon den ersten Bericht erhalten hat?«
    Ich konnte ein Lächeln über seine Ernsthaftigkeit nicht unterdrücken. »In die Sache ist auch ein Mann namens James Bond verwickelt«, erklärte ich. »Er rettete mich und erschoß die beiden Verbrecher. Er ist Engländer und arbeitet für den Geheimdienst. Er war auf dem Weg von Toronto nach Washington, um einen Bericht zu überbringen. Unterwegs hatte er eine Reifenpanne und landete hier im Motel. Wenn er nicht gekommen wäre, dann wäre ich jetzt tot. Auf jeden Fall habe ich den Verdacht, daß er eine ziemlich wichtige Persönlichkeit ist. Er wollte dafür sorgen, daß dieser Mr. Sanguinetti nicht nach Mexiko oder in ein anderes Land entfliehen kann. Aber das ist auch schon alles, was ich über ihn weiß - außer, daß er ein wunderbarer Mensch ist.«
    Der Leutnant blickte mich teilnahmsvoll an. »Kann ich mir vorstellen, Miss, wenn er Ihnen aus dieser Patsche geholfen hat. Auf jeden Fall hat er Verbindungen zum FBI. Dort mischt man sich nur selten in solche Fälle ein, es sei denn, wir forderten ihre Unterstützung an.«
    Auf der Straße erklang das Heulen von Sirenen. Leutnant Morrow erhob sich rasch und setzte seine Mütze auf. »Danke, Miss. Ich wollte nur meine Neugierde befriedigen. Jetzt wird der Captain mit Ihnen sprechen wollen. Keine Angst. Er ist ein netter Mensch.« Der Leutnant entfernte sich, und ich trank meinen Kaffee aus. Dann folgte ich ihm langsam, in Gedanken bei dem grauen Thunderbird, der jetzt in schneller Fahrt nach Süden rollte.
    Eine ganze Kolonne tauchte auf der Straße zwischen den Fichten auf: ein Streifenwagen mit Motorradeskorte, ein Sanitätswagen, noch zwei Polizeiautos und ein Kran, der an mir vorbei zum See hinunterfuhr. Alles schien nach einem genauen Plan abzulaufen, und bald wimmelte es überall von Gestalten in olivgrüner oder dunkelblauer Uniform. Der breitschultrige Mann, der auf mich zuging, glich haargenau dem Bild eines
    Kriminalbeamten aus unzähligen Filmen: langsam in seinen Bewegungen, mit freundlichem Gesicht, zielstrebig. Ihm folgte ein jüngerer Beamter, der Stenograph, wie sich herausstellte. Der Captain streckte mir die Hand entgegen. »Miss Michel? Ich bin Captain Stonor aus Glens Falls. Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten? In einem der Zimmer? Oder möchten Sie lieber im Freien bleiben?«
    »Ich habe von den Zimmern genug. Könnten wir uns nicht dorthin setzen, an den Tisch, wo ich gefrühstückt habe? Danke übrigens für Ihre Fürsorge. Ich war nahe am Verhungern.«
    »Mir brauchen Sie nicht zu danken, Miss Michel.« Die Augen des Captains zwinkerten. »Ihr englischer Freund, Commander Bond, machte den Vorschlag.«
    Er war also Commander. Der einzige Rang, dessen Bezeichnung mir gefiel. Kein Wunder, daß sich der Captain ein bißchen auf den Schlips getreten fühlte - ein Engländer, der so gebieterisch auftrat. Und dazu noch die Einmischung der CIA und des FBI! Ich beschloß, äußerst diplomatisch zu sein. Wir setzten uns, und nach den üblichen einführenden Worten bat mich der Captain, meine Geschichte zu erzählen.
    Mein Bericht dauerte zwei Stunden, weil mich Captain Stonor oft mit seinen Fragen unterbrach, und ich immer eine Pause einlegen mußte, wenn ein Beamter auftauchte und seinem Vorgesetzten etwas zuflüsterte. Am Schluß war ich ganz erschöpft. Man brachte Kaffee und Zigaretten. Wir spannten aus, und der Stenograph wurde weggeschickt. Captain Stonor ließ Leutnant Morrow holen und wies ihn an, einen ersten Bericht über Funk durchzugeben. Ich sah zu, wie die schwarze Limousine, die aus dem Wasser
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