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Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte
Autoren: Ian Fleming
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Sie meine Tochter? Das könnten Sie nämlich sein - fast meine Enkelin, wenn ich früh genug Vater geworden wäre.« Er lachte leise und gutmütig. »Nein. Bitte, tun Sie sich keinen Zwang an.« Captain
    Stonor zündete sich eine frische Zigarette an. »Also, Miss Michel, was der Commander schreibt, trifft zu. Man könnte sagen, Sie haben einen schweren Autounfall hinter sich, den Sie am besten so schnell wie möglich vergessen. Doch das ist noch nicht alles. Ganz unvermittelt und auf recht grobe Art und Weise sind Sie in den Krieg mit dem Verbrechen hineingezogen worden, der unablässig weitergeführt wird, über den Sie in den Zeitungen lesen, den Sie aus dem Kino kennen. Und wie im Film hat der Polizist die Jungfrau vor den Räubern gerettet.« Er beugte sich über den Tisch, seine Augen unverwandt auf die meinen gerichtet. »Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, Miss Michel, und wenn ich zu weit gehen sollte, dann vergessen Sie einfach, was ich sagte. Es wäre unvernünftig, von Ihnen zu verlangen, daß Sie jetzt den Mann, der Sie gerettet hat, nicht idealisieren sollten. Sie werden in ihm Ihren Helden sehen, ihn zur Idealgestalt des Mannes machen, zu dem man aufsehen kann, den allein man vielleicht heiraten möchte.« Der Captain lehnte sich zurück. Er lächelte entschuldigend. »Ich komme auf all das zu sprechen, weil solche Erlebnisse ihre Narben zurücklassen. Sie versetzen dem Menschen einen Schock -jedem Menschen. Doch am meisten wirken sie auf junge Menschen wie Sie. Ich glaube« - seine Augen verloren etwas von ihrer Güte -, »nach den Berichten meiner Leute zu urteilen, habe ich guten Grund anzunehmen, daß Sie heute nacht mit Commander Bond intime Beziehungen hatten.« Captain Stonor hob die Hand. »Ich will meine Nase nicht in Ihre Privatangelegenheiten stecken. Sie gehen mich sowieso nichts an, doch ich würde mich nicht wundern, wenn Sie heute nacht Ihr Herz an diesen charmanten jungen Engländer verloren hätten, der Ihnen das Leben rettete. Das ist ganz unausbleiblich.« Ein Hauch von Ironie lag über dem teilnahmsvoll väterlichen Lächeln. »Das geschieht schließlich in Büchern und Filmen andauernd, nicht wahr? Warum also nicht auch im Leben?« Ich rutschte ungeduldig hin und her. Ich hatte keine Lust, mir diese alberne Lektion anzuhören. Ich wollte endlich fahren. »Ich bin gleich am Ende, Miss Michel, und ich weiß, daß Sie mich für reichlich unverschämt halten, doch seitdem ich die Vierzig überschritten habe, interessiert mich auch die menschliche Seite der Fälle, die ich bearbeite. Ganz besonders, wenn die Hauptperson ein junger Mensch ist, bei dem das Erlebnis, das er hinter sich hat, bleibenden Schaden verursachen kann. Deshalb möchte ich Ihnen einen guten Rat mitgeben, wenn ich darf, und dann wünsche ich Ihnen alles Glück und eine gute Fahrt auf dem verrückten kleinen Roller.« Captain Stonors Augen waren noch immer auf die meinen geheftet, doch sie blickten durch mich hindurch. Ich wußte, daß ich jetzt etwas hören würde, was ihm von Herzen kam. »Dieser Krieg gegen das Verbrechen, von dem ich sprach - ob er nun zwischen Polizei und Gangstern ausgefochten wird, oder zwischen Spionen und Agenten -, ist eine Schlacht zwischen zwei dafür ausgebildeten Heeren. Das eine kämpft auf der Seite des Gesetzes für das, was sein eigenes Land für richtig hält, das andere für den Feind, der alles verleugnet, was uns teuer und lieb ist.« Captain Stonor nickte nachdenklich. »Doch die Angehörigen dieser beiden Heere, die nicht zum einfachen Fußvolk gehören, die Verantwortung tragen und ständig dem Tod ins Auge sehen müssen, besitzen einen Zug tödlicher Erbarmungslosigkeit. Das gilt für beide Seiten, für Freunde und Feinde.« Die geballte Faust des Captains schlug sachte auf die Holzplatte des Tisches, um seine Worte zu unterstreichen. »Die großen Verbrecher, die großen Agenten und die großen Spione sind herzlose, kaltblütige, erbarmungslose Killer, Miss Michel. Das müssen sie sein. Sonst würden sie die Schlacht nicht überleben. Verstehen Sie, was ich meine?« Captain Stonors Augen kehrten wie aus weiter Ferne zu mir zurück. Jetzt blickten sie mich mit gütiger Eindringlichkeit an, die mich rührte, die mir, ich schäme mich, es zu sagen, jedoch nicht zu Herzen ging. »Und deshalb möchte ich Ihnen einen Rat mit auf den Weg geben, mein Kind. Ich habe mit Washington gesprochen und eine Menge über seine hervorragenden Leistungen auf seinem besonderen Gebiet
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