Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte
Autoren: Ian Fleming
Vom Netzwerk:
Schreibtisch. Ich setzte mich aufs Bett und las ihn.
    Er war in einer klaren, regelmäßigen Handschrift geschrieben. Er hatte einen Füllfederhalter benutzt, keinen Kugelschreiber. »Liebe Viv, Du wirst diesen Brief vielleicht der Polizei zeigen müssen, deshalb werde ich sachlich sein. Ich bin auf dem Weg nach Glens Falls, um dort der Polizei eingehend Bericht zu erstatten. Die erste Polizeistreife, der ich begegne, werde ich zu Dir hinausschicken. Außerdem werde ich mich mit Washington in Verbindung setzen, und man wird den Fall dann sicher der Polizei von Albany übergeben. Ich werde alle Hebel in Bewegung setzen, um dafür zu sorgen, daß man Dich nicht zu sehr belästigt und Dich weiterfahren läßt, sobald Du Deine Aussage gemacht hast. Ich werde in Glens Falls meine Reiseroute und meine Wagennummer hinterlassen, so daß man mich immer erreichen kann, falls Du Hilfe brauchst. Das Frühstück wird Dir heute morgen fehlen, deshalb werde ich die Polizei beauftragen, Dir eine Thermosflasche voll Kaffee und Brötchen mitzubringen, damit Du nicht vor Hunger sterben mußt. Ich wäre gern bei Dir, und wenn auch nur, um Mr. Sanguinettis Gesicht zu sehen. Doch ich bezweifle sehr, daß er
    sich heute morgen blicken lassen wird. Ich nehme an, als er nichts von seinen beiden Handlangern hörte, fuhr er wie der Blitz nach Albany und setzte sich in das nächste Flugzeug nach Mexiko. Ich werde den Behörden in Washington einen Wink geben, und man wird ihn sicherlich erwischen. Dafür wird er lebenslänglich bekommen. Und jetzt paß auf! Du, und bis zu einem gewissen Grade auch ich, haben der Versicherungsgesellschaft mindestens eine halbe Million Dollar gespart. Dafür gibt es eine hohe Belohnung. Die Vorschriften verbieten mir, Belohnungen anzunehmen, so daß Dir auch mein Anteil zusteht. Außerdem steht Dir sowieso die ganze Summe zu, weil in erster Linie Du die Leidtragende warst und Du Dich so tapfer gehalten und bewährt hast. Deshalb werde ich einen Riesenwirbel machen und dafür sorgen, daß die Versicherungsgesellschaft sich nicht lumpen läßt. Und noch etwas: ich wäre gar nicht überrascht, wenn einer der beiden Verbrecher, oder sogar beide, steckbrieflich gesucht wird und für seinen Kopf eine Belohnung ausgesetzt ist. Auch darum werde ich mich kümmern.
    Und jetzt fahre vorsichtig auf Deinem Weg in den Süden. Und denke nicht mehr an diese Geschichte. Solche Dinge kommen nicht häufig vor. Nimm es einfach wie einen schweren Autounfall, dem Du glücklich entronnen bist. Und bleib so, wie Du bist. Wenn Du mich erreichen willst oder Hilfe brauchst, dann schreibe oder telegrafiere an mich, c/o Ministry of Defence, Storey's Gate, London, S. W. 1. Telefonisch bin ich nicht erreichbar.
    Immer,
    J.B.
    P.S. Für den Süden hast Du zuviel Luft in den Reifen. Vergiß nicht, etwas herauszulassen.
    PPS. Versuche mal Guerlains Fleurs des Alpes an Stelle von Camay.«
    Ich hörte das Brummen von Motorrädern auf der Straße. Als sie anhielten, heulte kurz eine Sirene auf. Ich steckte den Brief in meinen Overall, zog den Reißverschluß hoch und ging hinaus.
    Es waren zwei Beamte der Staatspolizei, jung, aufgeweckt und sehr nett. Ich hatte beinahe vergessen, daß es solche Menschen gab. Sie grüßten mich, als hätten sie eine Königin vor sich. »Miss Vivienne Michel?« Der Dienstältere, ein Leutnant, sprach mich an, während sein Kollege in das Funkgerät murmelte und berichtete, sie seien angekommen. »Ja.«
    »Ich bin Leutnant Morrow. Wir hörten, daß hier heute nacht allerhand passiert ist.« Er wies mit der behandschuhten Rechten auf die Trümmer. »Wir scheinen richtig gehört zu haben.« »Ach, das ist noch gar nichts«, bemerkte ich geringschätzig. »Im See liegt ein Auto mit einer Leiche, und hinter Zimmer Nr. 3 ist noch ein Toter.«
    »Ja, Miss.« Eine Spur von Mißbilligung über meine Leichtfertigkeit schwang in seiner Stimme. Er wandte sich an seinen Begleiter. »O'Donnell, sehen Sie sich doch mal um!« »Okay, Leutnant.« O'Donnell schritt über den Rasen davon. Der Leutnant beugte sich zu einer seiner Motorradtaschen hinunter und brachte ein eingewickeltes Päckchen zum Vorschein. »Ich habe Ihnen ein kleines Frühstück mitgebracht. Leider nur Kaffee und Pfannkuchen. Ist Ihnen das recht?« Er streckte mir das Päckchen hin.
    Ich schenkte ihm ein strahlendes Lächeln. »Das ist schrecklich nett von Ihnen. Ich vergehe fast vor Hunger. Drüben am See stehen ein paar Bänke.« Ich ging voraus, und wir setzten
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher