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Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss

Titel: Bratt, Berte - Marions gluecklicher Entschluss
Autoren: Berte Bratt
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1.
    Als ich noch zur Schule ging und deutsche Aufsätze schrieb, sagte meine Lehrerin immer:
    »Nicht daß deine Arbeiten schlecht sind, Britta, aber eines vergißt du stets: Jede Arbeit, auch wenn es nur ein kleiner Aufsatz ist, sollte eine Einleitung haben! Du springst kopfüber in dein Thema hinein, und vor lauter Eifer läßt du die einleitenden Worte weg!«
    Ich glaube, meine Lehrerin hatte recht. Denn jetzt, da ich mich hingesetzt habe, um alles zu erzählen, was ich im letzten Sommer erlebte, möchte ich gleich damit anfangen. Das geht aber nicht. Ich sehe ein, daß ich zuerst diese fatalen einleitenden Worte schreiben muß.
    Also: Ich bin neunzehn Jahre alt, das heißt beinahe zwanzig. Ich wohne mit meinem Vater auf einer Nordseeinsel, die »Seehundsrücken« heißt. Schon mit zehn Jahren habe ich meine Mutter verloren.
    Meine gute, liebe Omi wurde mir eine zweite Mutter, und als sie im letzten Winter ihre guten Augen für immer schloß, war es ein schwerer Schlag für uns beide - für Vati und mich.
    Von Omi habe ich alles gelernt, was ich kann - ich kenne mich im Kochen und in der Hausarbeit aus, und ich kann einigermaßen vernünftig mit dem Haushaltsgeld umgehen. Es war ein Segen, daß ich das alles gelernt hatte. Denn als wir Omi nicht mehr hatten, mußte ich plötzlich Hausfrau sein. Früher wohnten wir auch mit Tante Birgit zusammen. Sie ist Vatis Schwester. Seit einem Jahr unterrichtet sie an einer Schule in Kiel. Sie ist nämlich Lehrerin.
    Hier auf Seehundsrücken bin ich geboren, und hier habe ich immer gewohnt.
    Früher hatten wir oft das Gefühl, wir wohnten ein bißchen außerhalb der zivilisierten Welt. Das hat sich geändert. Als der Strom der Sommergäste immer größer wurde, bekamen wir einen feinen Badestrand mit Strandkörben und Wurstbuden und Eiswagen und solchen Sachen. Außerdem haben wir ein Kurhaus mit allem, was dazugehört.
    Unser Haus ist gemütlich, durchaus nicht elegant, aber nett und geräumig. Ganze acht Zimmer haben wir. Davon vermieten wir jedes Jahr zwei bis drei an Sommergäste. Alle Menschen hier vermieten im Sommer Zimmer.
    Vati ist Kunstmaler. Vor drei Jahren war er in Paris, weil er ein Stipendium erhalten hatte. Ich begleitete ihn und führte ihm den Haushalt. In Paris lernte ich Pierre kennen, und an meinem achtzehnten Geburtstag haben wir uns verlobt.
    Pierre ist Verkehrsflieger. Seine Ausbildung hat er an der Fliegerschule in Bremen bekommen. Jetzt ist er Copilot und ist in Hamburg stationiert. Daß ich Pierre kennenlernte, ist das Allerschönste in meinem Leben.
    In Paris traf ich auch die Schriftstellerin Edda Callies. Ich nenne sie Tante Edda und habe sie ganz schrecklich lieb. Sie wohnt in Aachen, und zweimal hat sie den Sommer bei uns auf dem Seehundsrücken verbracht.
    Dann wäre nur noch Ellen zu erwähnen, meine dänische Cousine. Sie ist zehn Jahre älter als ich, aber trotzdem sind wir ganz dicke Freundinnen. Sie wohnte zwei Monate bei uns in Paris. Somit, glaube ich, habe ich das Wesentlichste erzählt.
    Und jetzt möchte ich von unserem letzten Sommer berichten. Von dem Sommer, als wir Marion kennenlernten.
    Bevor Marion kam, passierte so allerlei.
    Eigentlich fing alles an einem hellen Frühlingsabend an. Vati und ich hatten gegessen, ich hatte abgeräumt, und nun plauderten wir noch, wir beide. Wir sind gute Kameraden, können immer frei miteinander reden und verstehen uns wunderbar.
    »Na, Brittachen?« sagte Vati. »Du bist ein bißchen blaß um die Schnut. Geht es dir nicht gut?«
    »O doch, Paps. Ich denke an Omi. Sie fehlt mir furchtbar.«
    »Ja, meine Deern, das verstehe ich. Und wie, glaubst du, fehlt sie mir? Aber Britta, was würde Omi sagen, falls sie jetzt mit dir sprechen könnte? Weißt du das?«
    »Ja«, nickte ich. »Sie würde sagen: >Köpfchen hoch, Britta!<«
    »Eben! Und weiter: >Denk an all das Schöne, das wir zusammen erlebt haben! Denk an das, was ich dich gelehrt habe! Ich mußte euch verlassen, ich war alt, ich hatte das Leben hinter mir. Aber du, Britta, du bist jung, du kannst jetzt meinen Platz einnehmen und meine Arbeit tun. Tu das, Britta, und sei glücklich, weil du jung bist und so viel Schönes vor dir hast!<«
    »Ja, du hast recht, Paps. Das würde sie sagen. Und sie würde hinzufügen: >Gott segne dich, mein Kind!<« Wir schwiegen eine Weile. Endlich brach Vati das Schweigen: »Hör mal zu, Britta. Ich überlege etwas. Ich möchte dieses Jahr keine Sommergäste haben.
    Es würde dir zuviel werden.«
    »Aber nein,
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