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Der Spion der mich liebte

Titel: Der Spion der mich liebte
Autoren: Ian Fleming
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erinnerte mich des glänzenden, gräßlichen Kürbiskopfes, der einem Geist gehört haben mußte. James Bond kehrte zurück. Er sagte kein Wort. Er brachte mir ein Glas Wasser. Diese prosaische Handlung, das erste, was ein Vater oder eine Mutter tut, wenn das Kind schlecht geträumt hat, brachte mich zurück in die Wirklichkeit, in die vertraute Umgebung des Zimmers, rettete mich aus dem Abgrund der Gespenster und des Todes. Dann holte er ein Badetuch, stellte einen Stuhl unter das Fenster, stieg darauf und drapierte das Badetuch über die zerbrochene Scheibe. Ich beobachtete die Muskeln, die sich zusammenballten und entspannten, und ich stellte belustigt fest, wie eigenartig ein Mann ohne Kleider aussieht, wenn er nicht eine Frau umarmt, sondern einfach im Zimmer umhergeht und irgend etwas Alltägliches tut.
    Dann stellte er den Stuhl wieder neben den Tisch, wo er hingehörte, nahm seine Pistole und holte ein neues Magazin aus der Tasche seiner Hose. Er schob es in den Griff seiner Pistole und legte die Waffe unter sein Kopfkissen. Jetzt verstand ich erst, weshalb er so dagelegen hatte, mit der rechten Hand unter dem Kissen. Ich vermutete, daß er immer in dieser Stellung schlief. Ich verglich seinen Tageslauf mit dem eines Feuerwehrmannes, der Tag und Nacht einsatzbereit sein muß. Ich dachte, wie ungewöhnlich es sein mußte, mit der Gefahr Geschäfte zu machen.
    Er setzte sich neben mich auf den Bettrand. Er sah müde und abgespannt aus. »Beinahe wäre es uns beiden wieder an den Kragen gegangen, Viv«, sagte er. »Es tut mir leid. Ich glaube, meine Aufmerksamkeit läßt nach. Wenn ich so weitermache, wird das eines Tages noch schlimm ausgehen. Ich kann mich erinnern, daß ein Stück des Verdecks und das Rückfenster noch zu sehen waren, nachdem der Wagen in den See gestürzt war. Dort hatte sich offenbar genügend Luft angestaut. Es war verdammt leichtsinnig, daß ich mich nicht persönlich davon überzeugt habe. Dieser Sluggsy brauchte ja nur das Rückfenster einzuschlagen und ans Ufer zu schwimmen. Er war zwar verwundet, und es muß ihm ziemlich schwergefallen sein. Doch er kam tatsächlich bis zu unserem Zimmer. Beinahe hätte er uns getötet. Gehe morgen früh nicht da hinten hin, Viv. Es ist kein schöner Anblick.« Er sah mich mitleidig an. »Es tut mir wirklich leid, Viv. Es hätte nie so weit kommen dürfen.«
    Ich richtete mich auf und umschlang ihn mit den Armen. Sein Körper war kalt. Ich preßte ihn an mich und küßte ihn. »Sei doch nicht dumm, James. Wenn ich nicht gewesen wäre, dann wäre dir das alles nicht passiert. Was würde aus mir geworden sein, wenn du nicht gekommen wärest? Ich wäre tot, verbrannt, meine Asche verstreut. Du hast einfach nicht genug geschlafen. Außerdem bist du ganz kalt. Komm zu mir ins Bett. Ich halte dich warm.«
    Er zog mich an sich und drückte meinen Körper fest an den seinen. Eine ganze Weile hielt er mich so, ganz still, und ich spürte, wie sein Körper Wärme von mir aufnahm. Dann hob er mich hoch und legte mich sanft aufs Bett. Und dann nahm er mich ganz ungestüm, wie eine verzehrende Flamme, und wieder kam dieser Schrei von einem Menschen, der nicht mehr ich war. Dann lagen wir Seite an Seite. Sein Herz hämmerte wild an meiner Brust, und ich merkte, daß meine rechte Hand sich in seine Haare verkrampft hatte.
    Ich ließ sie los und nahm seine Hand. Er küßte mich sanft und drehte sich auf die Seite.
    Ich kuschelte mich an ihn, drückte mich an seinen Rücken und seine Schenkel. »Es ist schön, so zu schlafen. Es ist wundervoll. Gute Nacht, James.« »Gute Nacht, Viv, mein Liebling.«
    Das waren die letzten Worte, die er an mich richtete. Als ich am nächsten Morgen erwachte, war er verschwunden. Im Bett war noch der Abdruck seines Körpers zu sehen, und vom Kopfkissen ging sein Geruch aus. Ich sprang aus dem Bett und rannte hinaus, um nachzusehen, ob der graue Wagen noch da sei. Er war weg.
    Es war ein wunderschöner Tag. Der Boden war feucht vom Tau, und ich konnte die Abdrücke seiner Schuhe sehen, die zu der Stelle führten, wo das Auto gestanden hatte. Ein Vogel flog kreischend über die Lichtung, und irgendwo im Wald erscholl der klagende Ruf einer Wildtaube. Die Trümmer des Motels waren schwarz und häßlich, und von den Überresten des Hauptgebäudes stieg ein dünner Rauchfaden auf. Ich kehrte ins Zimmer zurück und duschte mich. Dann begann ich, geschäftig meine Sachen in die Satteltaschen zu packen. Da sah ich den Brief auf dem
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