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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman
Autoren: Roman Kessing
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zusammen in einem gemeinsamen Raum unter Deck . . . frische Seeluft kann eine fröhliche Verheißung sein. Diego musste trotz der Schmerzen in seiner Brust lächeln, obwohl schon das Atmen ihm unbeschreiblich weh tat, sodass er gegen ein hysterisches Lachen ankämpfte, das die Schmerzen nur noch schlimmer gemacht hätte.
    Diego schloss die Augen wieder, um einen flachen Atemzug zu wagen. Ja, das musste das Ende sein. Er lauschte. Er hörte keine anderen Geräusche mehr als das leise Plätschern der niedrigen Wellen um das gewaltige Schiff herum. Wurde dieses Plätschern lauter? Kam es näher? Waren tatsächlich alle seine Freunde tot? Diego schaffte es nicht, seine Stimme zu einem Rufen zu heben: Es waren keine Kraft und kaum noch Luft in seinen Lungen.
    Einfacher Bootsmann war er gewesen . . . nein, er war es immer noch, rief Diego sich zur Ordnung. Er durfte nicht jetzt schon in der Vergangenheit von sich denken! Noch war es nicht so weit; noch war ein wenig Leben in ihm. Und sie konnten ja nicht weit vom rettenden Land, von der Küste entfernt sein. Vielleicht vermisste man die
Flor de la Mar
ja bereits, die einst so stolze »Blume des Ozeans«.
    Ja, ganz sicher vermisste man das wertvolle Schiff! Ganz bestimmt hatte man ihnen bereits Kurierschiffe entgegengeschickt. Vielleicht näherte sich ja auch der rettende Konvoi, der in unbekannter Entfernung hinter ihnen unterwegs sein musste, bereits der Unglücksstelle. Er musste einfach nur am Leben bleiben. Irgendwie!
    Aber Diego hatte keine Vorstellung, wie er das schaffen sollte. Es war kalt, obwohl das Meer und die Luft warm sein mussten. Am Morgen jedenfalls waren die Temperaturen noch angenehm gewesen, als Diego an Deck getreten war – und auch gegen Mittag, als er sich mit einem Eimer Meerwasser geschöpft hatte, um sich zu waschen. Aber jetzt spürte er unbarmherzige, beißende Kälte, die sich mit den Schmerzen verbrüderte und ihm immer mehr die Sinne raubte.
    Du musst am Leben bleiben, beschwor er sich. Du musst am Leben bleiben!
    Diego zwang seinen geschundenen Körper, ihn nicht im Stich zu lassen. Noch nicht. Noch ein wenig durchhalten! Die Freunde, die Geschwister, die Daheimgebliebenen mussten erfahren, was ihnen zugestoßen war. Er, Diego, war zwar nur Bootsmann gewesen . . .
    Diegos Gedanken stockten erneut. Ja, verdammt, er war nur ein einfacher Bootsmann gewesen, doch was das schreckliche Schicksal bedeutete, das alle an Bord der
Flor de la Mar
heimgesucht hatte, konnte er trotzdem nur zu gut begreifen. Die Zeichen des Leibhaftigen konnte auch ein schlichter Bootsmann deuten.
    Er musste die anderen warnen. Er musste sie alle vor dem unfassbaren Unglück warnen, das sie bedrohte!
    Vor allem den König.
    Eine Welle, höher als die vorherigen, hob den träge dümpelnden Schiffskörper plötzlich an. Diego öffnete die Augen, sah die in Fetzen hängenden Segel und die zerrissene Takelage, wie sie sich machtlos einer auffrischenden Brise ergaben. Ja, ihr Winde, eilt mir noch einmal zur Hilfe, sprach der Sterbende sich stumm und verzweifelt neuen Mut zu. Tragt mich auf euren Schwingen an die Ufer meiner Väter, sodass ich meine letzte Botschaft noch übermitteln kann!
    »Hilf mir, o Herr!«, stieß Diego mit ersterbender Stimme hervor. Doch die Höllenqualen in seinen Lungen meldeten sich augenblicklich und raubten ihm den Atem.
    So verhöhnst du mich also, Herr? Ich will dir huldigen, dich durch mein Flehen zu meinem höchsten Gott erheben, und du lässt mir nicht einmal die Luft zum Sprechen? Diegos Wut regte sich wieder. Waren denn nicht alle seine Kameraden an Bord des Schiffes gute Christenmenschen gewesen? Warum hatte Gott sie dann verlassen in dieser schweren Stunde?
    Dieses Schiff, Herr, das hier zerschlagen in den Fluten dümpelt, ist dein Schiff gewesen! Die Blume des Meere war für dich erblüht, Herr. Nun ist sie gepflückt und kann keinen Schmuck für deine Altäre mehr bringen, kann deiner Kirche keine Ehre mehr sein . . .
    Warum hast du uns verlassen, o Herr? Hast du denn keine Macht, deinen Kindern zu Hilfe zu eilen, wenn sie in größter Not sind? Bist du zu schwach? Sind andere als du die wahren Götter?
    Der letzte Satz war kaum zuende gedacht, da bemerkte Diego abermals eine höhere Welle als die vorhergehenden, die das sinkende Schiff sanft auf ihren Kamm mit hinaufnahm.
    Siehst du, Gott? So geht das, will man diesen Haufen gammelndes Holz und all die Leichen nach Hause bringen. Mir scheint, dass die Götter der so genannten Wilden,
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