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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman
Autoren: Roman Kessing
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lässt.«
    Nachdenklich trat nun auch der Besucher an den großen, angenehme Wärme verbreitenden Ofen heran. Hatte Talbot im Scherz gesprochen? Oder meinte er sein blasphemisches Gerede ernst?
    Es hatte irgendetwas auf sich mit dem viel jüngeren, blitzgescheiten Gelehrten, der jedoch seine ehrbare Arbeit – und seine Ohren – als einstmals geachteter Gerichtsschreiber und Notar verloren hatte, weil er Dokumente fälschte, auf deren Echtheit die Menschen sich verlassen mussten. Der Besucher – ein erfolgreicher Mathematiker, Astronom, Astrologe, Geograph und Alchemist – fragte sich mit einem Mal, ob er richtig handelte, dass er hier in diesem verbotenen Laboratorium mit diesem fragwürdigen »Kollegen« zusammen arbeitete? War dies hier wirklich der richtige Weg, um endlich die größte aller Einsichten zu gewinnen und die Antwort auf die Frage zu finden, wie man wahrhaftiges Gold aus unedlen Metallen machte?
    Jedenfalls schien es eine verheißungsvolle Geschichte zu sein, die ihn hierher geführt hatte und ihn die Schmach vergessen ließ, als niederer Bote eingesetzt worden zu sein.
    Ein schepperndes Geräusch riss den Doktor aus seinen Gedanken.
    »Seit Ihr soweit, Talbot?«, fragte er.
    »Oh ja. Ist es nicht eine Ironie, dass in einfachem Kalk die Lösung für die von allen Alchemisten so verzweifelt gesuchte weiße Tinktur verborgen ist?« Mit einer langen eisernen Zange hatte Edward einen großen Tiegel aus dem Athanor gehoben, den er nun auf den aus gestampfter Erde bestehenden Boden vor den Ofen stellte. Im Tiegel war eine dampfende weiße Substanz zu sehen.
    »Gebrannter Kalk? Das soll die weiße Tinktur sein?«
    »Habt Ihr denn nicht
de la pirotechnia
von Vannoccio Biringuccio studiert? Seht dort, auf meinem Pult. Ich habe eine Ausgabe aus Deutschland kommen lassen. Beeindruckend! Wirklich, das muss ich sagen. Aber wärt Ihr so freundlich, mir kurz zur Hand zu gehen? Wir sollten uns nun um das Drachenblut kümmern.«
    Mit diesen Worten lehnte Master Talbot die eiserne Zange an die Wand und schritt zum Pult, um die Tasche seines Besuchers an sich zu nehmen. Vorsichtig, beinahe andächtig öffnete er die lederne Klappe, hob ein großes, schweres Stoffbündel aus der Tasche und legte es auf der Tischplatte ab, wobei das Bündel ein dumpfes Geräusch erzeugte. Dann öffnete er mit großer Geste den verschnürten Packen.
    »Welche Farben!« Der Anblick, der sich den beiden Männern bot, verschlug ihnen die Sprache. Rotglühend lag ein Mineral vor ihnen, durchzogen von feinem dunklem Taubgestein.
    »Wahrlich, reinstes Drachenblut! Ich bin sehr zufrieden, Doktor«, ließ Talbot sich nach einer Weile der stillen, andächtigen Bewunderung vernehmen. »Fast zu schade, um ihn zu zerstören. Aber nehmt den großen Tiegel dort und den eisernen Stößel, während ich den Ofen vorbereite.«
    Schweigsam machten die beiden Alchemisten sich erneut ans Werk. Während der Ältere den großen, unregelmäßig geformten Stein nahm und ihn im Tiegel langsam und mit leisem Knirschen zu feinem, leuchtend rotem Staub zerstieß, hob der Jüngere – die Hände durch feuchte Stoffballen geschützt – den mächtigen, glutheißen Deckel vom Ofen und lehnte ihn ächzend an eine Wand. Dann holte er aus einer der dunklen Ecken einen Alembik, einen kupfernen Destillierhelm, den er umständlich über die nun offene Brennkammer des Ofens hob.
    »Was macht Ihr da?«, wollte der Doktor wissen.
    »Ich ordne das Chaos«, antwortete Talbot geschäftig. »Ich verbinde die
calcinatio,
die Befreiung des Einhorns aus dem kostbaren spanischen Zinnober, mit der
destilatio,
dem Einfangen des Einhorns, das in den Äther zu flüchten versucht, damit es zu seiner Hochzeit kommen kann.« Talbot lachte. »Zu seiner großen chymischen Hochzeit.«
    Dem Doktor schien es, als würde in diesen Worten ein Anflug von Irrsinn mitschwingen. Doch er fuhr fort, mit dem Stößel den Stein im Tiegel zu zerkleinern. Als er mit dieser Arbeit endlich fertig war und sich nur noch roter Staub in dem Gefäß befand, hob er den schweren Tiegel auf und trug ihn zum Ofen.
    »Seit Ihr soweit, Master Talbot?«
    Mit glühenden Augen blickte der Angesprochene ihm ins Gesicht.
    »Ja, ich bin soweit. Stellt das Drachenblut dort neben dem anderen Tiegel mit dem weißen Elixier ab.«
    Dann bückte sich Edward und schüttete den mittlerweile erkalteten gebrannten Kalk zum Zinnober hinzu. Mit dem Stößel vermischte er grob das weiße und rote Pulver.
    »Der weiße Drache wird nun mit
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