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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman
Autoren: Roman Kessing
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wussten, wir Mexikaner jedoch nicht – denen der Bibel in vielen Einzelheiten. Die Spanier erschraken sehr über die schier unfassbaren Übereinstimmungen.
    Und seit die Spanier begriffen, dass sie uns das Wort ihres Gottes gar nicht zu bringen brauchten, sondern dass wir es schon lange besaßen, trachteten sie danach, alle Abschriften des Popol Vuh in ihren Besitz zu bringen und zu vernichten. Heute wissen wir Mexikaner das, damals aber wussten wir es nicht. Wir hielten es für ein Unglück, ein Versehen. Für die Unwissenheit der Spanier, die nicht verstanden, was wir ihnen sagen und mit dem Popol Vuh zeigen wollten. Also beschlossen wir, unseren Häuptling mit dem letzten verbliebenen Exemplar des Buches auf die Reise zu schicken, um dem König der Spanier von der wunderbaren Übereinstimmung und dem Geschenk des gemeinsamen Ursprungs Eurer und unserer Religion zu berichten. Was für ein naives Unterfangen die letzte Reise meines Bräutigams doch war . . .
    Den Rest der Geschichte kennt Ihr. Das Schiff, das den Sohn Montezumas nach Spanien bringen sollte, wurde von den Engländern erobert, denen von Eurem Handelsherrn die Passage des Schiffes verraten wurde und für dessen sichere Fahrt zu sorgen Euch vom spanischen König aufgetragen worden war. Die Engländer nahmen das Gold und ließen meinen Bräutigam mitsamt dem Gedächtnis meines Volkes untergehen.«
    Amman Sachs sah nun Tränen in den Augen der Freundin und einstigen Geliebten. »Also war alles ein noch viel größerer Betrug, als ohnehin schon offenbar war«, sagte er. »Woher aber seid Ihr so sicher, dass es wirklich die gleichen Geschichten sind, die Euer Ratsbuch und die Bibel erzählen?« Der Gedanke war ungeheuerlich, unglaublich – aber doch nicht unmöglich, wie Amman Sachs spürte. Er selbst hatte mehr als einmal erlebt, dass es viel unbekanntes und geheim gehaltenes Wissen gab. Und dass man auch den Atlantik mit Geschick überwinden konnte.
    Die Mexikanerin blicke Amman Sachs tief in die Augen und rezitierte dann wie schon einmal: »›Endlich denn dämmerte es, und Sonne, Mond und Sterne erschienen. So wurde es Licht durch Sonne, Mond und Sterne. Groß war die Freude der alten Menschen, als sie den Sonnenträger sahen. Mit schimmerndem Antlitz stieg er vor der Sonne empor. Da holten sie den Weihrauch hervor, den sie aus dem Osten für diese Stunde mitgebracht hatten. Die drei Bündel knüpften sie auf, als Weihegabe ihres dankbaren Herzens. Alle drei hatten Weihrauch, und den verbrannten sie und tanzten zum Osten gewendet, unter Freudentränen, den heiligen Weihrauch verbrennend. Dann endlich erschien die Sonne. Und alle Tiere freuten sich. Alle, bis zum Geringsten, erhoben sich in den Tälern und Schluchten, auf den Höhen versammelten sie sich, und alle schauten gen Osten.‹« Tecuichpo schwieg einen Moment; dann wiederholte sie: »Unter Freudentränen tanzten sie, Weihrauch brennend, den heiligen Weihrauch . . .«
    Und da begriff Amman Sachs endlich. »›Denn so viele Kirchen Ihr Katholen auch in der neuen Welt schon errichtet habt, Euer allmächtiger Gott hat vergessen, hier Euren betörenden Weihrauch wachsen zu lassen‹«, zitierte nun er. »Francis Drake sprach diese Worte, als er den armen spanischen Priester verhöhnte und teeren ließ, weil er seinen Weihrauchvorrat vor den Piraten verstecken wollte! Es gibt keinen Weihrauch in Amerika!«
    Die Mexikanerin nickte. »Und doch erzählen unsere Mythen von dem Weihrauch, den unsere Ahnen vor Freude verbrannten, als sie am Ende ihrer Wanderungen endlich den Lichtträger aus dem Osten erkannten, Kukulkan, den ihr die Venus nennt, den Morgenstern. Sie hatten ihn auf ihren Wanderungen aus den Augen verloren und konnten ihn an der gewohnten Stelle nicht entdecken. Da wanderten sie, bis sie ihn so sehen konnten, wie er am Anfang ihrer Wanderung stand, als sie . . .«
    ». . . das Land ihrer Ahnen verließen, in dem es Weihrauch gab. Und den gibt es nur im Orient!«
    Amman Sachs konnte das Wissen der Mexikanerin nicht fassen. Es war so klar, es passte zusammen. Irgendein frühes Volk der Antike war in den Westen aufgebrochen, vielleicht zu weit nach Süden oder Norden vom Weg abgekommen, und suchte dann in den Ländern, die man heute Amerika nannte, nach der richtigen Stellung der Venus. Und als sie diese im heutigen Mexiko endlich gefunden hatten, verbrannten sie ihren mitgebrachten Weihrauch, den es in ihrer neuen Heimat nicht gab – von diesem in mythischer Vergangenheit liegenden
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