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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman
Autoren: Roman Kessing
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gegenüberzusitzen, in ihrer fühlbaren Nähe, war Sachs für den Augenblick Glück genug.
    Schweigend sahen beide sich eine ganze Weile an, und jeder von ihnen wusste, dass der jeweils andere sich an die wundervollen gemeinsamen Erlebnisse erinnerte. Darüber zu reden brauchten sie nicht. Die Freude über das Wiedersehen einte sie wie ein festes Band.
    Ein kleiner Junge kam an den Tisch und schmiegte sich an die Mexikanerin. »Mutter«, sagte er, »bekomme ich noch einen halben Peso für den Spielmann?«
    Amman Sachs war überrascht. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Junge mit seinen schwarzen Haaren und dem dunklen Teint der Mexikanerin wie aus dem Gesicht geschnitten war. Nur die hellgrünen Augen ließen erkennen, dass der Knabe gleichsam zwischen den Kulturen stand, was seine Herkunft anging.
    »Ihr habt einen Sohn?«, fragte Amman Sachs verwundert.
    Der Junge wandte sich ihm zu. »Ich heiße Juan Andrade Montezuma. Montezuma ist ein mexikanischer Name – und der Name eines großen Königs.«
    Der Junge hatte mit kindlichem Nachdruck gesprochen, und Amman Sachs hörte deutlich den Stolz aus seinen Worten.
    »Ein großes und eindrucksvolles Volk«, pflichtete Amman dem Knaben bei. »Wie alt bist du denn, mein Junge?«
    Die Antwort auf diese Frage machte den Knaben offensichtlich noch stolzer: »Ich bin fast zehn. Nächsten Monat jährt sich meine Geburt!«
    Amman Sachs hörte, was der Junge gesagt hatte. Aber er brauchte einen Moment, bis er die Zusammenhänge verstand. Dann erschrak er bis ins Mark und blickte fragend die Mexikanerin an.
    Die suchte nun rasch eine Münze aus ihrem Handbeutel heraus, reichte sie dem Jungen und schickte ihn los.
    Amman Sachs blickte Juan Andrade Montezuma verwundert nach.
    »Jetzt wisst Ihr, warum es richtig war, dem Werben eines spanischen Edlen nachzugeben«, sagte die Mexikanerin schließlich. »Juan brauchte ein gutes Zuhause, eine gute Ausbildung. Er ist nun die ganze Hoffnung Mexikos. Er ist das Band zwischen der Neuen und der Alten Welt.«
    Amman Sachs schaute immer noch in das Gewühl der Schänke, dorthin, wo der kleine Junge verschwunden war.
    »Er wird nächsten Monat zehn Jahre alt . . .«, sagte er nachdenklich.
    Tecuichpo schlug die Augen nieder. »Muss ich es wirklich aussprechen? Oder wisst Ihr es auch so?«
    Ihre Blicke trafen sich erneut. Und nun hatte Amman Sachs Gewissheit. Er hatte einen Sohn! Er hatte einen gemeinsamen Sohn mit dieser schönen Mexikanerin!
    Er hätte so vieles fragen mögen, so vieles sagen wollen, doch beide schwiegen in stillem Einverständnis. Was hätte es mehr Worte bedurft? Es war alles gedacht und alles gefühlt. Alles war geregelt und in sinnvoller Ordnung. Auch wenn Amman Sachs – und gewiss auch Tecuichpo – sich in ihrem tiefsten Herzen einen anderen Lauf der Dinge gewünscht hätten.
    Und die brennendste Frage, die Amman Sachs auf dem Herzen lag, sollte nun auch eine Antwort finden.
    »Ihr erinnert Euch, Amman«, sagte die Mexikanerin, »was Ihr mir damals in der Nacht gesagt habt, als unser beider Leben sich für die Unendlichkeit kreuzte? Ihr habt vom letzten Kampf erzählt, den mein Bräutigam focht, der Sohn des großen Montezuma. Er fand sein Ende beim Untergang der
Flor
, das Erbe meines Volkes in den Händen. Das Erbe Mexikos, seine Geschichte, seine Vergangenheit. Und vielleicht seine Zukunft. Er trug, in Blei gewickelt, die Geschichten und Legenden unserer Ahnen in diesem Bündel. Unser Buch der Bücher. Die Erzählungen unserer Alten. Zu spät erkannten wir . . . erkannte ich die Gefahr und die Bedrohung, die von diesem Buch ausging.«
    Amman Sachs sah, wie ergriffen Tecuichpo war. Doch sie fasste sich und fuhr fort: »Das Buch ist sehr, sehr alt, und seine Erzählungen sind noch viel älter. Es berichtet vom Beginn der Welt, von den Mythen meines Landes aus einer Zeit, lange bevor die Spanier es erobert haben. Wir Mexikaner haben das Buch von einem Volk übernommen, das sich Tolteken nennt. Und die wiederum raubten das Wissen von den Quiché.
    Wir lernten die Geschichten des Popol Vuh, wie wir das Buch des Rates nennen, von unseren Alten, die uns des Abends im Dunkel von der mythischen Suche nach dem Licht erzählten. Wir lernten die Geschichten auswendig, doch einige Priester schrieben sie auf.
    Seit den Zeiten des Cortés berichteten unsere Priester auch den Spaniern begeistert von diesen uralten Erzählungen. Die Spanier aber fanden keinen Gefallen an diesen Geschichten, glichen sie doch – was nur sie damals
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