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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman
Autoren: Roman Kessing
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gemeinsam. Wenn du willst, als Brüder.«
    Ein Schauder durchlief den Körper des Sterbenden und drang bis zu seiner Seele vor. Diego fühlte, wie sich ein letztes Mal Tränen in seinen brennenden Augen sammelten. Er verspürte eine tiefe Erschütterung, wie er sie nie zuvor empfunden hatte. Die Kraft dieses indianischen Prinzen hatte Diegos Verzweiflung hinweggefegt und ließ ihn am Mut und der Größe dieses Mannes teilhaben.
    Danke, Herr, dass ich diese Kraft und Reinheit noch schauen durfte.
    Als der letzte Lebensfunke in den Augen des Bootsmannes erloschen war, nahm der mexikanische Prinz die Handfläche von der Stirn des Toten und strich ihm behutsam die Lider über die nun starr ins Nichts blickenden Augen.
    Hier bin ich, der Sohn des Königs Montezuma, dachte er, als er aufstand und einen letzten Blick auf den Leichnam mit der tiefen, klaffenden Wunde in der Brust warf.
    So viel Tod, so viel Leid.
    Der stolze Indianer hob das schwere Bündel auf, das er abgestellt hatte. Nun gab es nur noch Tote auf diesem sterbenden Schiff. Niemand hatte mehr überlebt, nur er selbst. Seine Freunde, seine Diener, die mit ihm auf diese Mission des Friedens gegangen waren, um den spanischen König doch noch zum Abschluss eines Pakts mit seinem Volk zu bewegen – sie alle waren tot. Mitten im Nirgendwo sollte es also zuende gehen.
    Er würde nie wieder sein Glück und seine Liebe schauen können.
    Der Prinz blickte sich um. Das also war übrig von seinem einst so stolzen Reich. Er sah die tiefe Symbolik in diesem Bild. Er, der letzte legitime Thronfolger der alten Herrscherdynastie, umgeben von toten Feinden, doch ohne Volk und Reich, dem Untergang geweiht. Den größten Schatz seiner Väter in Händen, doch erfüllt von dem Wissen, dass dieser Schatz mit ihm gemeinsam für immer und alle Zeit in den dunklen Tiefen des Meeres versinken würde.
    Mit ruhigen Schritten machte der Indio sich auf den Weg zum Bug des immer bedenklicher dümpelnden Schiffes. Hier hatte er während der letzten Tage der Überfahrt oft gestanden, um das Neue, Unbekannte zu schauen. Er wollte jene Länder kennen lernen, aus denen die mächtigen Spanier gekommen waren, die sein Volk besiegt und beherrscht hatten. Seine Väter hatten die Weißen einst wie Götter willkommen geheißen, da sich mit ihrem Erscheinen eine uralte Prophezeiung zu erfüllen schien.
    Was für ein Irrtum !
    Schließlich war sein eigener Vater, der alte König, von den eigenen Leuten gesteinigt worden, weil die Verheißung sich als brutale Zerstörung entpuppte. Er, der Sohn des alten Königs, wollte diesen verheerenden Fluch, der sein Volk erfasst hatte, endlich brechen und Frieden finden, vielleicht sogar mit den Spaniern.
    Nun aber hat er es nicht einmal bis an die fremden Ufer geschafft.
    Warum, Huitzilopochtli, Höchster aller Götter, hast du uns verlassen? Nie hätte ich gedacht, dass mir auf dieser Reise etwas geschehen könnte.
    Wie eine Antwort auf seine verzweifelte Anklage gegen den obersten seiner Götter, wurde das Bündel in seinen Armen mit einem Malfurchtbar schwerer. Die Last kämpfte mit seinen schwindenden Kräften, alshätte er das Recht verwirkt, den Schatzlänger zu behüten. Weil er versagt hatte?
    »Habe ich versagt?«, rief der Prinz verzweifelt. Es spielte keine Rolle mehr; er war alleine hier auf dem Meer, mitten im Nirgendwo. Der Letzte seiner Art. Warum sollte er da nicht laut und verzweifelt rufen, auch wenn es sein Ehrgefühl verletzte?
    Und warum sollte er dieses dumme Bündel weiter bewachen? Mit seinem Leben. Ja, noch war er am Leben, und auch das Bündel war noch da . . . aber war es noch zu etwas nütze?
    Nein, sie beide waren verloren, dem Untergang geweiht.
    Der Prinz ließ das schwere, in Blei eingeschlagene Bündel auf die von den Wellen nassen Deckplanken fallen.
    Ein drohendes Ächzen des Schiffes war die unmissverständliche Antwort auf diesen Frevel, doch dem Prinzen war es egal. Er lehnte sich an die Reling, wie er es die vielen Tage zuvor auf hoher See bereits so gerne getan hatte, und schaute in die Ferne, dorthin, wo sein Ziel und seine Liebe sein mussten, wobei ihn ein schreckliches Gefühl der Einsamkeit überkam. Er war der Letzte auf diesem todgeweihten Schiff.
    Ein plötzliches Geräusch ließ den stolzen Mexikaner voll schrecklicher Ahnung herumfahren. Es war ein Unheil verkündendes Krachen, das von den Füßen auf den Deckplanken aus seinen ganzen Körper durchlief. Das Schiff bebte und bäumte sich auf, sträubte sich gegen
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