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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman
Autoren: Roman Kessing
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Prinzessin Tecuichpo verbringen konnte, die ebenso wie Amman Sachs auf das Eintreffen der Goldgaleone wartete. Der Mexikanerin ein freundlicher Gesellschafter zu sein gehörte zu Ammans angenehmsten Pflichten als Fugger-Agent hier im fremden Lissabon.
    Sachs hielt einen Moment inne, um sich vom Duft der Blumen betören zu lassen und sich an die schönen Augenblicke während der vergangenen Tage zu erinnern, die jedoch immer mehr von zunehmender Ungeduld getrübt worden waren. Seine Schutzbefohlene Tecuichpo und er hatten am Ufer des Flusses lange Spaziergänge unternommen, hatten in großen Lissabonner Kirchen Schutz vor der mitunter bereits heißen Frühlingssonne gesucht und über die Pracht der Gotteshäuser und die Schönheit der Gemälde, Schnitzereien und Plastiken im Kircheninnern gesprochen. Einmal hatten beide sich zum Leuchtturm Torre de Belem rudern lassen, um von dort eine Zeitlang den Blick über die weite Küstenlinie schweifen zu lassen. Und sie hatten die orientalisch anmutende, verwinkelte Oberstadt Lissabons erkundet, in der man noch immer die verwirrende Nähe der Mauren auf der iberischen Halbinsel spüren konnte und deren Exotik half, jene Kluft zu überwinden, die zwischen ihm, dem aus dem Land der Eidgenossen stammenden und in deutschen Diensten stehenden Handelsagenten, und der edlen Mexikanerin bestand.
    Sie hatten die Bedenken in den Wind geschlagen, die sie mahnten, nicht die Stadt zu betreten, da es nicht lange her war, dass der schwarze Tod in den Gassen Lissabons gewütet hatte – auch wenn es unter anderem die Pestangst gewesen war, die Lissabon für Amman Sachs zum idealen Landeplatz für die
Flor de la Mar
hatte werden lassen: Angst war ein guter Schutzschild. Und statt Pest und Elend hatten Amman Sachs und die schöne Mexikanerin eine atemberaubende Kulisse für ihre Erkundungs- und Entdeckungstouren in diese für sie beide fremde Umgebung gefunden.
    Amman Sachs liebte es besonders, wenn sich Emotionen auf dem ebenmäßigen, dunklen Gesicht der Mexikanerin abzeichneten. Tecuichpos Antlitz besaß eine natürliche Hoheit und strahlte Stolz und Erhabenheit aus; um so reizvoller war es, wenn sich ein Ausdruck der Freundlichkeit oder des Mitgefühls auf ihrem Gesicht zeigte – etwa beim Anblick einer alten Frau, die an einer Straßenecke einsam Früchte zum Kauf anbot, oder eines Kindes, das hingefallen war und sich die Knie blutig gestoßen hatte, oder eines Bettlers, der sein Augenlicht eingebüßt hatte. Amman Sachs ließen insbesondere die dunklen Augen der Mexikanerin nicht mehr los, die erst die Menschen genau studierten, um zu erfassen, ob deren Not tatsächlich echt war oder bloß gespielt und nur zum eigenen Vorteil. War der Schmerz echt, gewann man in der Mexikanerin eine starke Verbündete, die für einen Augenblick alles Leid teilte und dadurch ein wenig milderte. In diesen Momenten beneidete Sachs die alte Frau, das Kind und den Bettler, da sie einer Zuneigung teilhaftig wurden, nach der er sich als anständiger und verheirateter Mann allenfalls sehnen durfte. Doch er wurde nicht müde, Tecuichpo ins nahe Lissabon zu führen und die armseligsten und verruchtesten Gassen mit ihr aufzusuchen, um diese Szenen der reinen Nächstenliebe immer wieder aufs Neue zu erleben und sich an deren Hoheit zu erfreuen – denn er ahnte, dass dieser Zauber viel zu rasch vergehen würde.
    »Einen schönen guten Tag, Herr Sachs!« Die feste und mittlerweile vertraute Frauenstimme mit dem ganz und gar fremdländischen Akzent riss den Agenten der Fugger aus seinen Gedanken. Verblüfft drehte er sich um, denn nicht vom Bauernhaus her war die Stimme der Mexikanerin erklungen, sondern hinter ihm, von der Straße aus.
    »Ihr seid früh auf den Beinen«, sagte Sachs lächelnd und betrachtete die schöne Mexikanerin, die völlig unpassende Kleidung nach spanischer Art trug. »Ich wollte Euch gerade besuchen kommen. Darf ich fragen, was Euch zu dieser Stunde aus dem Haus gerufen hat?«
    Dem schönen Gesicht Tecuichpos war keine Regung zu entnehmen. »Aber das wisst Ihr doch«, sagte sie. »Es gibt immer noch keine Nachricht von unserem Schiff.«
    Sachs freute sich, dass Tecuichpo von »unserem Schiff« sprach, denn die
Flor de la Mar
war tatsächlich die größte Gemeinsamkeit, die sie beide hier an der Westspitze der Alten Welt verband.
    »Es wird bald kommen.« Amman hatte es nur so dahin gesagt, unbedacht, in der vergeblichen Absicht, der schönen Mexikanerin Mut zu machen. Doch der Ausdruck in
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