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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman
Autoren: Roman Kessing
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ihren unergründlichen schwarzen Augen entlarvte seine fromme Lüge.
    »Ich glaube nicht. Es ist zu lange überfällig«, erklärte Tecuichpo bedrückt.
    »Ihr habt recht, Prinzessin.« Er nannte Tecuichpo fälschlich »Prinzessin«: Obwohl sie einer der führenden Familien in Neuspanien entstammte, die zur Oberschicht des alten Mexikos zählte, war sie keine Königstochter. Allerdings sollte sie bald einen wirklichen Prinzen heiraten, den Sohn des so grausam und kläglich gescheiterten Montezuma – eben jenen Botschafter der westindischen Eingeborenen, der auf der
Flor de la Mar
all die großartigen Schätze begleitete, die den spanischen König endlich zu einem friedlichen Miteinander mit seinen neuen Untertanen jenseits des großen Meeres bewegen sollten.
    Amman Sachs glaubte zwar nicht, dass selbst
alles
Gold der Erde die Haltung der Spanier zu ihren Kolonien würde ändern können; aber wenigstens dieser stolzen und schönen Frau wollte er jene Achtung und jenen Anstand entgegenbringen, die seiner Meinung nach allen Menschen zustand, nicht nur denen in der Alten Welt.
    »Ihr habt recht«, wiederholte der Agent. »Auch ich glaube nicht mehr, dass unser Schiff noch kommt. Ich werde Euch von jetzt an nichts mehr vormachen.«
    »Ihr könnt mir auch nichts mehr vormachen, Herr Sachs.« Der Angesprochene hörte eine neue tiefe Traurigkeit in der Stimme Tecuichpos. »So sehr Eure Bemühung Euch ehrt – ich
weiß,
dass unsere Blume des Meeres nie mehr blühen wird. Sie ist vergangen.«
    Amman wusste nicht gleich, was diese seltsam pathetische Rede bedeuten sollte; aber dann erkannte er die Hoffnungslosigkeit in den Worten der Mexikanerin und gab es auf, mit einer hohlen Phrase zu antworten.
    »Woher habt Ihr dieses Wissen, Prinzessin?«, fragte er stattdessen förmlicher, als er beabsichtigt hatte. »Habt Ihr eine Nachricht erhalten, die ich nicht bekommen habe?«
    Das Gesicht Tecuichpos blieb verschlossen und ruhig.
    »Nein«, sagte sie. »Die Nachricht war nur für mich bestimmt, da Ihr meinen Göttern ja nicht zu lauschen wagt.«
    Amman Sachs war sich nur zu bewusst, dass unter anderen Umständen und in einer anderen Situation diese Worte den Tod Tecuichpos als Ketzerin bedeutet hätten. Zugleich erfüllte den Agenten zusätzliche Traurigkeit, da er so hochmütig über seine geheimnisvolle und doch so vertraute neue Freundin dachte. Sie fühlte sich bei ihm offenbar sicher und sprach entsprechend frei und ungezwungen. War das nicht eine erfreuliche Erkenntnis unter so schmerzhaften Umständen?
    »Habt Ihr Zeit, Prinzessin? Begleitet Ihr mich zur Faktorei und erzählt mir von Euren Göttern und deren schlechten Botschaften? Ich muss eine ähnliche unerfreuliche Nachricht abschicken – ins ferne Augsburg, wo mein Handelsherr sein Hauptkontor hat und wo auch ich eigentlich zu Hause bin.«
    »Zusammen mit Eurer Frau.«
    Der Satz war bloß eine Feststellung und durchaus treffend in seiner Aussage, und doch erschütterte er Amman bis ins Innerste, vernichtete dieser Satz doch jede vage Hoffnung auf eine innigere Beziehung zu Tecuichpo – eine geheime Sehnsucht, die der Agent sich niemals eingestanden hätte. Stattdessen richtete er den Blick kurz auf den unbefestigten Fahrweg, um dann wieder der schönen Mexikanerin in die schwarzen Augen zu schauen.
    »Kommt Ihr mit?«
    Wortlos drehte Tecuichpo sich um und ging los, sodass Amman zwei, drei rasche Schritte tun musste, um zur ihr aufzuschließen.
    »Von welchen Göttern oder welchem Gott reden wir denn?«, versuchte Sachs das Gespräch wieder in ungefährlichere Bahnen zu lenken. »Ich gebe zu, ich kenne mich in den traditionellen Religionen Neuspaniens nicht aus.«
    »In Eurer Sprache heißt unser höchster Gott ›wohlscheinende Feder‹. Wir nennen ihn Huitzilopochtli, oder auch Vitzliputzli«, sagte Tecuichpo. »So wie ihr Menschen auf dieser Seite des großen Meeres die Gestalt eines Mannes verehrt, der an einem Balkenkreuz angehängt wurde, so verehren wir Bewohner Mexikos als unseren höchsten Herrscher eine Figur, die wir Guacas nennen, vergleichbar mit eurem Kruzifix. Und auch wir reden zu unseren Guacas. Auch wir sprechen mit ihnen, wenn wir in Not oder traurig sind und Antworten auf unsere Fragen erflehen.«
    »Und werden eure Gebete erhört?«, fragte Sachs. Die Antwort der Mexikanerin ließ ein wenig auf sich warten. In diesem Zögern glaubte der Fugger-Agent die Missbilligung für seine Skepsis zu erkennen.
    »Meistens«, sagte Tecuichpo schließlich.
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