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Der Spion der Fugger Historischer Roman

Der Spion der Fugger Historischer Roman

Titel: Der Spion der Fugger Historischer Roman
Autoren: Roman Kessing
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dem roten Drachen kämpfen, in der Höllenglut, Menschenseelen gleich. Und geläutert vom Feuer der Sterne wird das Einhorn der Hölle entfliehen und den dunklen Mächten entrinnen. Doch wir, wir wahren Adepten, werden es einfangen und bändigen . . . dieses wunderschöne mystische Tier.«
    Mit bloßen Händen hob Talbot den Tiegel samt dem Pulvergemisch in die obere Öffnung des Ofens. Dann verschloss er sorgfältig die Ofenkammer und legte den Tiegel, in dem der gebrannte Kalk gewesen war, unter das Ablaufrohr des Destillierhelms.
    Aus einem hölzernen Eimer, der mit Wasser gefüllt war, nahm Edward nun wieder einen nassen Stoffballen und tupfte damit das Kupfer des Alembik sorgfältig ab. Augenblicklich stieg zischend heißer Dampfempor, dessen Nebel dem Alchemisten im Licht der Öllampen etwas Diabolisches verlieh, zumal die zunehmend feuchte Hitze dem schuftenden Meister den Schweiß auf die Stirn trieb, so dass ihm bald die langen Haare im Gesicht klebten und den Blick auf die narbigen Wülste freigab, wo einst seine Ohren gewesen waren.
    »Ihr solltet über einen neuen Namen nachdenken, Master Talbot«, sprach der Ältere seine Gedanken beim Anblick des entstellten Kollegen aus. »Ihr seid wahrlich ein Meister. Ich glaube nicht, dass jemand in unserem Königreich schon einmal sah, was ich hier nun sehe. Schaut! Das Einhorn! Es kommt!«
    Tatsächlich floss ein erster Tropfen wie glänzendes Silber in den aufgestellten Tiegel unter dem Auslaufrohr des Alembik.
    Weitere silbrige Tropfen folgten und vereinigten sich zu einer Pfütze flüssigen Metalls, das keinerlei Anzeichen zeigte, sich trotz des Abkühlens zu verfestigen. Es blieb silbrig und flüssig.
    »Das
hydragyrum,
das Quecksilber.« Der Alchemist lachte. »Doch Einhorn klingt viel schöner, nicht wahr? So – ich glaube, das war es. Mehr gibt der Zinnober wohl nicht her.«
    Eduard öffnete wieder die Ofenklappe, hob mit der Eisenzange den heißen, nun verkrustet aussehenden Tiegel aus dem Innern und warf ihn in den jetzt halb leeren Eimer mit Wasser. Explosionsartig schoss Dampf empor, während die Schmelze schlagartig abkühlte.
    »Ihr werdet den Tiegel verderben!«
    »Aber nein, Doktor, so heiß ist er nicht geworden. Aber so lässt die Schlacke sich leichter wieder ablösen. Wir brauchen diesen Tiegel schließlich noch für die eigentliche Transmutation.«
    Tatsächlich konnte Edward jetzt die Schlacke im Tiegel problemlos herausschlagen. Wieder mit bloßen Händen, füllte er dann das im Feuer des Ofens freigesetzte und im Destillierhelm kondensierte Quecksilber in den gereinigten Tiegel um. Den nun leeren zweiten Tiegel stellte er wieder unter das Auslassrohr.
    »So, und jetzt beginnt die wahre Magie!« Mit großer Geste suchte Talbot in den Taschen seines Kittels nach irgendetwas, das sich schließlich als vollkommen eben gearbeitete, weißlich schimmernde Kugel aus Elfenbein erwies. An einer Stelle steckte ein kleiner hölzernen Pfropfen, der offenbar ein winziges Loch in der Kugel verschloss.
    Mit Daumen und Zeigefinger löste der Alchemist nun diesen Pfropfen; dann schaute er seinen Besucher nachdenklich an.
    »Dies ist mein größter und mächtigster Schatz. Einfache Menschen haben ihn einst im Grab eines bedeutenden Bischofs entdeckt, hoch oben in den Bergen. Auf seltsamen Wegen fand dieser Schatz seinen Weg zu mir – und zu Euch. Es enthält, was alle Welt sucht. Wir aber haben es!«
    »Der Stein der Weisen!«, brach es aus dem fassungslosen Doktor hervor. »Ihr habt ihn tatsächlich!«
    »Ja. Und jetzt werden wir gemeinsam seine Wunder schauen.«
    Aus der elfenbeinernen Kugel schüttelte Talbot ein paar feine Krümel eines roten Pulvers auf das flüssige Silber im Tiegel. Das Pulver sammelte sich auf der Oberfläche des metallenen Sees und bildete eine feine Haut.
    Der Alchemist verschloss seine Schatzkugel wieder und steckte sie ein. Den Tiegel aber stellte er abermals in den Ofen und verschloss ihn. Diesmal jedoch öffnete er auch die untere Ofenklappe, warf ein paar große Stücke Holzkohle nach und regelte mit dem neuen Lüftungsschieber die maximale Luftzufuhr. Knisternd nahm die Kohle die Glut auf, und die Hitze im Abgrund dieses Laboratoriums wurde immer unerträglicher, zumal Talbot nun auch wieder begann, das Metall der Destillierhaube zu kühlen.
    Der Doktor wusste nicht, ob er vom Dampf oder vor Aufregung in Schweiß gebadet war. Voller Ungeduld blickte er in das irdene Gefäß unter dem Auslaufrohr. Und tatsächlich, es dauerte
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