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Der Spion, der aus der Kälte kam

Titel: Der Spion, der aus der Kälte kam
Autoren: John le Carré
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ein. Der Chef wartete, bis sie das Zimmer verlassen hatte.
    »So ein dummes Ding«, sagte er fast zu sich selbst. »Es ist mir unverständlich, dass es unmöglich sein soll, noch gute Mädchen zu finden. Ich wünschte, Ginnie wäre nicht gerade jetzt auf Urlaub gegangen.« Er rührte eine Weile in seinem Kaffee herum.
    »Wir müssen Mundt wirklich in Mißkredit bringen«, sagte er. »Sagen Sie, trinken Sie viel Whisky und ähnliches Zeug?«
    Leamas war der Meinung gewesen, er kenne seinen Chef.
    »Ich trinke etwas. Mehr als die meisten, glaube ich.«
    Der Chef nickte verstehend. »Was wissen Sie von Mundt?«
    »Er ist ein Totschläger. Er war vor ein oder zwei Jahren mit der ostdeutschen Stahlmission hier. Wir hatten damals ›Beratung‹: der Mann hieß Maston.«
    »Richtig.«
    »Mundt unterhielt eine Agentin, die Frau eines Foreign-Office-Mannes. Er brachte sie um.«
    »Er versuchte, George Smiley umzubringen, und natürlich erschoß er den Ehemann dieser Frau. Er ist ein widerwärtiger Kerl. Früher bei der Hitlerjugend und diese Art Sachen. Er ist das Gegenteil des intellektuellen Kommunisten. Ein Praktiker des kalten Krieges.«
    »Wie wir«, bemerkte Leamas trocken.
    Der Chef zeigte keinerlei Lächeln. »George Smiley kannte den Fall gut. Er ist nicht mehr bei uns, aber ich meine, Sie sollten ihn aufstöbern. Er schreibt etwas über das Deutschland des 17. Jahrhunderts. Er lebt in Chelsea, gleich hinter dem Sloane Square. Bywater Street, kennen Sie die?«
    »Ja.«
    »Und auch Guillam hatte mit dem Fall zu tun. Er ist in Abteilung Ost vier im ersten Stock. Ich fürchte, es hat sich hier seit Ihrer Zeit einiges verändert.«
    »Ja.«
    »Verbringen Sie einen oder zwei Tage mit ihnen. Sie wissen, was ich im Sinne habe. Dann habe ich mich gefragt, ob Sie wohl Lust hätten, das Wochenende bei mir zu verleben. Meine Frau«, fügte er schnell hinzu, »versorgt leider ihre Mutter. Nur gerade Sie und ich.«
    »Danke, gern.«
    »Wir können dann die Dinge in Ruhe besprechen. Das wäre hübsch. Ich glaube, Sie können eine Menge Geld mit der Sache machen. Sie können behalten, was immer Sie auch herausholen.«
    »Danke.«
    »Vorausgesetzt freilich, Sie sind entschlossen, mitzumachen. Keine Metallermüdung oder etwas Ähnliches?«
    »Wenn es sich darum handelt, Mundt zu vernichten, bin ich bereit.«
    »Empfinden Sie wirklich so?« erkundigte sich der Chef höflich. Dann bemerkte er, nachdem er Leamas einen Augenblick angeschaut hatte: »Ja, ich glaube wirklich, Sie empfinden so. Aber Sie dürfen nicht glauben, Sie müßten es aussprechen. Ich glaube, dass man in dieser Umgebung hier sehr rasch gefühllos wird. Haß oder Liebe gehören zu einer Tonleiter, die wir sehr bald nicht mehr wahrnehmen können. So wie das Ohr eines Hundes gewisse Töne nicht mehr vernehmen kann. Alles, was am Schluß übrigbleibt, ist eine Art Übelkeit. Zum Schluß hat man nur noch den Wunsch, nie wieder Leid zu verursachen. Verzeihen Sie mir, aber haben Sie nicht genau dies gefühlt, als Karl Riemeck erschossen wurde? Weder Haß auf Mundt noch Liebe zu Karl, sondern einen widerwärtigen Stoß, wie den Schlag auf einen betäubten Körper … Man hat mir gesagt, Sie seien die ganze Nacht spazierengegangen, nur durch die Straßen von Berlin gegangen. Stimmt das?«
    »Es stimmt, dass ich spazierengegangen bin.«
    »Die ganze Nacht?«
    »Ja.«
    »Was geschah mit Elvira?«
    »Weiß der Himmel … Ich würde gern Mundt einen Schwinger geben«, sagte Leamas.
    »Gut … gut. Übrigens, wenn Sie inzwischen irgendwelche alte Freunde treffen sollten: ich glaube nicht, dass es Sinn hätte, mit ihnen darüber zu diskutieren. Ich würde sogar«, setzte der Chef nach einer Weile hinzu, »ziemlich kurz angebunden sein. Lassen Sie sie glauben, wir hätten Sie schlecht behandelt. Wenn man schon weitermachen will, ist es wohl das beste, gleich damit anzufangen, meinen Sie nicht?«

3ABSTIEG
    Es überraschte niemanden, als man Leamas abschob. Es hieß, Berlin sei im großen und ganzen seit Jahren ein Mißerfolg gewesen und irgend jemand habe dafür büßen müssen. Außerdem sei er schon verhältnismäßig alt für den Außendienst, bei dem man über die schnellen Reflexe eines berufsmäßigen Tennisspielers verfügen müßte. Während des Krieges hatte Leamas gute Arbeit geleistet, jedermann wußte das. Seine Tätigkeit war in Norwegen und Holland stets irgendwie sichtbar geblieben, und am Ende gab man ihm einen Orden und ließ ihn gehen. Später freilich überredete
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