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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann
Autoren: Terje Emberland
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mir vor, wie der Redakteur mich zum Chef der Sportseiten machte, sodass ich ab und zu einmal ins Ausland reisen könnte. Aber zumeist fabulierte ich davon, eine berühmte Bergsteigerexpedition zu leiten: »Erik Erfjord erobert die Eigernordwand!« Man braucht jedoch mehr als Talent, um es so weit zu bringen. Ein Arbeitersohn aus Sagene hatte nicht einmal Zugang zum etablierten Bergsteigermilieu. Zweimal hatten die Papasöhnchen des Norwegischen Gipfelclubs meinen Aufnahmeantrag bereits abgelehnt. Ich besäße nicht »die nötige Übung für gute Zusammenarbeit am Berg«!
    Vermutlich war ich mit solchen Gedanken beschäftigt, als Straken mit lässigem Schritt das Cafe betrat. Er ging an mir vorbei ohne zu grüßen und drehte eine Runde durch das Lokal, um sich einen Überblick über die Gäste zu verschaffen. Das war natürlich nur Schauspielerei. Jens Arntsens Etablissement war Strakens zweites Zuhause, und er wusste sehr gut, dass die Vormittagskundschaft nur aus Leuten von Schlachthof und Viehmarkt bestand, die hereinschauten, um sich den beliebten Eintopf des Wirtes servieren zu lassen.
    In den Abendstunden verwandelte sich Arntsens Restaurant jedoch vollständig. Dann machten redliche Arbeitsleute einen großen Bogen um das Cafe, während sich an den Tischen ausrangierte Straßenmädchen und Zuhälter drängten und natürlich auch deren Opfer, betrunkene Bauern und andere Zugereiste, die sich zu einer Studientour durch das viel besprochene Vaterland hatten verlocken lassen.
    Straken nickte Arntsen, der dick und gemütlich hinter dem Tresen stand, schweigend zu. Dann kehrte er zu meinem Tisch zurück und ließ sich, beide Hände in die Jackentaschen gestopft, auf einen Stuhl fallen.
    Er leckte sich die trockenen Lippen und sagte: »Ich habe etwas, das dich interessieren wird.«
    »Ach?«
    »Ja. Gerüchte behaupten, dass sich ein besonders wertvolles Gemälde in der Gegend befindet.«
    »Gerüchte interessieren mich nicht, Straken. Ich brauche Information aus erster Hand, ich brauche Namen …«
    Zum ersten Mal, seit ich das Lokal betreten hatte, erwiderte Straken meinen Blick. Er war groß und stark und hatte die blausten und unschuldigsten Augen, die ich in meinem Leben je gesehen habe. Er wurde deshalb für einen durch und durch ehrlichen Bauernjungen gehalten, was Straken wie gerufen kam. In Wirklichkeit war er in einem Verbrecherhaushalt in der Tomtegate aufgewachsen. Seine Eltern waren zahllose Male vorbestraft, und das galt auch für die meisten in Strakens riesiger Geschwisterschar. Er selbst hatte ebenfalls früh Bekanntschaft mit der Polizei geschlossen. Seine Spezialität waren Taschendiebstähle, seine Leidenschaft jedoch nicht. Straken war nämlich ein notorischer Denunziant und verpfiff immer wieder seine Kumpane. Ja, er denunzierte mit solcher Leidenschaft, dass er einmal sogar seinen eigenen Bruder verriet und ihm dreieinhalb Jahre im Zuchthaus Akershus verschaffte.
    »Es ist von einem Ausländer die Rede«, sagte Straken jetzt selbstsicher. »Niemand weiß, worauf er aus sein könnte, aber er hat alle Gelegenheits- und Schrotthändler am Lilletorg aufgesucht. Jeden Tag schaut er bei sämtlichen Pfandleihern vorbei. Immer ist er mit einem Norweger zusammen, der für ihn das Wort führt.«
    »Und keiner von den beiden scheint hier aus der Gegend zu kommen?«
    »Nein, das ist doch gerade das Rätselhafte.«
    »Das muss aber überhaupt nichts Rätselhaftes sein. Bestimmt ist bei dem Ausländer eingebrochen worden. Er findet sicher, dass die Polizei sich zu lange Zeit lässt mit dem Aufspüren des Diebesgutes. Alle wissen doch, dass neunzig Prozent davon hier auf dem Lilletorg umgesetzt werden.«
    Ich setzte mich aufrecht. »Nein, jetzt muss ich wohl…«
    Straken begriff, dass ich gehen wollte, und sagte rasch: »Was hast du denn da, Erfjord? Hast du dir neue Schuhe gekauft?«
    Das konnte ich nicht auf mir sitzen lassen. Ich stellte feierlich den Karton, auf den er anspielte, auf den Tisch.
    »Jetzt schau mal her … ich habe mir Nagelschuhe machen lassen. Sieht toll aus, oder?«
    Ich zog die Stiefel aus dem Karton, damit Straken sie sich genauer ansehen könnte.
    »Das sind meine alten Fettlederstiefel«, erklärte ich. »Und siehst du, ich habe mir von Schuhmacher Jensen Nägel an den Rand des Absatzes, in die Mitte und in den vorderen Rand schlagen lassen. Und jetzt bin ich sicher so gut beschuht wie die besten Bergsteiger der Welt.«
    »Fantastisch. Und wann wirst du sie ausprobieren?«
    Das war
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