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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann
Autoren: Terje Emberland
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Kaufsumme bezahlt hatte. Damit war das Gut brandbereit. Und es brannte. Bay konnte die Versicherungssumme von über 400000 einkassieren. Die Frage ist, wie er vorher überhaupt Omberg die 85000 Kronen bezahlen konnte? Bay lebt nämlich von der Fürsorge und haust in einer Wohnung, die im Monat 25 Kronen kostet.«
    »Er kann das Geld doch geliehen haben?«
    »Von Rechtsanwalt Fredriksen natürlich! Es wäre nicht das erste und auch nicht das letzte Mal.«
    »Haben Sie den Verdacht, dass die beiden auch hinter dem Wilhelmshoi-Brand stecken?«
    »Ich möchte das mal so sagen: Bay und seine Bande sind immer meine Hauptverdächtigen, wenn ein wertvolles Gebäude brennt. Aber sie sind nicht die einzigen. Oslo hat mehrere Verbrecherbanden, die gegen Bezahlung Feuer legen und andere Verbrechen ausführen. Die, die das planen, sitzen überall in der Stadt in respektablen Büros.«
    »Dieses Bandenphänomen«, sagte ich. »Das stammt wohl noch aus der Schmugglerzeit?«
    »Da haben Sie ganz recht. Die Schmugglerbanden haben sich nach und nach ebenso gut organisiert wie das legale Geschäftsleben, mit großen Einkäufen, eigenen Booten, umfassender Korrespondenz und wohlgeordneten Archiven. Sogar ein junger Mann wie Sie hat doch von Alfred Janus gehört?«
    »Hatte nicht Janus in Hamburg eine Aktiengesellschaft gegründet, deren Spezialität der Alkoholschmuggel war?«
    »Genau. Janus hatte sich mit Fredriksen und Bay zusammengetan und seinen norwegischen Kollegen so einiges über internationale Gangstertätigkeit beigebracht.«
    »Und als das Alkoholverbot aufgehoben wurde …«
    »… wandte die Mehrzahl der Schmuggler sich wieder ehrsamen bürgerlichen Tätigkeiten zu. Aber drei, vier Bandenführer in der Hauptstadt behielten ihre Organisation und fingen an, sich nach anderen Möglichkeiten umzusehen, um schnelles Geld zu verdienen.«
    Brodin verstummte. Er zog seine Zigaretten hervor und warf einen Blick den Keiser Wilhelms vei hinunter. Nach einer Weile begriff ich, warum er plötzlich verstummt war. Ein alter viersitziger Amerikaner tauchte auf. Er war bis zu den Fenstern mit Schlamm bespritzt und vor dem Motor war eine Pappplatte angebracht, um den Kühler zu schützen.
    »Mich laust der Affe!«, rief Brodin. »Was zum Teufel will der denn hier?«
    »Wer denn?«
    Brodin zog mich einige Schritte zurück. Aber ehe wir ein passendes Versteck gefunden hatten, stieg ein dicklicher Mann von etwa sechzig aus dem Wagen. Als er sah, dass sich jemand an der Brandstätte aufhielt, wurde er sichtlich unsicher. Er blieb lange bewegungslos stehen, am Ende schloss er dann die Autotür und lief auf uns zu.
    Der Mann kam mir bekannt vor. Er war ziemlich groß, bleich und glattrasiert bis auf einen schmalen Schnurrbart. Der graue Hut war tief in die Stirn gezogen und sein Träger knöpfte sich im Gehen den dunklen Wintermantel zu. Plötzlich erkannte ich ihn.
    »Aber das ist doch nur Großhändler Rustad«, flüsterte ich Brodin zu.
    Brodin hätte sich fast an seinem Zigarettenrauch verschluckt. »Sie haben gut reden! Wenn ich Ihnen erzählte, mit wem Rustad sich abgibt, würden Sie Ihre Ansicht schnell ändern. Er ist nicht so unschuldig, wie er aussieht.«
    »Können Sie das nicht ein wenig erklären?«
    »Alles zu seiner Zeit, junger Mann. Wenn ich mich nicht irre, wird bald etwas passieren, wonach ganz Oslo über Großhändler Rustad reden wird. Und dann können Sie und ich eine Runde plaudern …«
    Brodin verstummte. Rustad hatte jetzt die Brandstätte erreicht und nickte uns schweigend zu. Dann ging er zu einem Ofen, der halb in der Asche vergraben war.
    »Hier gibt es für Sie nichts abzureißen«, rief Brodin ihm zu. »Offenbar hat jemand zu erzählen vergessen, dass Wilhelmshoi abgebrannt ist!«
    Rustad winkte, ohne sich umzudrehen. Der Scherz war registriert worden. Rustad ging weiter durch die Ruine und suchte nach Gegenständen, die die Flammen vielleicht verschont hatten.
    Brodin versetzte mir einen Rippenstoß. »Kommen Sie, wir verschwinden. Sie können mit mir in die Stadt fahren. Mein Wagen steht beim Kragdenkmal.«
    Als wir von Holmenkolläsen in die Stadt fuhren, redete er wieder über Birger Bay. Ich machte mir nicht einmal die Mühe zu notieren. Ich hatte schon viel mehr auf meinem Block stehen, als ich in Druck geben könnte.
    Plötzlich fiel mir ein, dass ich einen Brief in der Tasche stecken hatte. Ich öffnete ihn und las. Danach hatte ich das Gefühl, kein einziges Wort verstanden zu haben. Ich machte noch einen
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