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Der Spinnenmann

Der Spinnenmann

Titel: Der Spinnenmann
Autoren: Terje Emberland
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Sie steckte sich eine Zigarette an und ließ ihren Blick durch das Lokal wandern. Ich nahm meinen Mut zusammen: »Bist du auch beim Film?«
    »Ja.«
    »In welchen Filmen hast du denn mitgemacht?«
    »Keine, die Ihnen etwas sagen. Deutsche Filme.«
    »Aber ich habe eine Menge deutsche Filme gesehen. >Der große Sprung<, >Sturm über dem Mont Blanc<, >Der Kampf ums Matterhorn< …«
    Sie sah mich mit leerem Blick an.
    »Du kennst doch das Genre? Luis Trenker und Leni Riefenstahl, Bergsteigerfilme …«
    »Leni hat den >Bergfilm< an den Nagel gehängt. Sie arbeitet jetzt hinter der Kamera. Macht Dokumentarfilme für Goebbels.«
    »Was du nicht sagst! Da hat sie sich ja wirklich an den Teufel verkauft! Was für eine Tragödie.« Sie zuckte mit den Schultern.
    In diesem Moment brachte Lennart die Getränke. »Du langweilst Kiss mit Politik, wie ich höre? Ich habe das schon längst aufgegeben.«
    Er beugte sich zu seiner Verlobten vor. »Darf ich ein paar Worte mit Erik wechseln, Liebes? Du weißt, zwei alte Kumpels, die sich seit drei, vier Jahren nicht gesehen haben. Wir brauchen einen Moment unter vier Augen, um wieder zueinander zu finden.«
    »Aber was soll ich denn so lange machen?«
    »Ich dachte, du hättest vielleicht Lust zu tanzen.«
    »Allein?«
    »Warum nicht?« Lennart nickte zu der übervölkerten Tanzfläche hinüber. »Du wirst nicht gerade Aufsehen erregen.«
    Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. Es war unmöglich, in den wogenden Tabakwolken und den gleitenden Lichtreflexen der rotierenden Spiegelkugeln einzelne Personen zu unterscheiden. Der Tanzboden war bedeckt von einem einzigen großen zappelnden und springenden Gewimmel.
    Aber Kiss fühlte sich offenbar provoziert: »Und mein Wermut? Den habe ich doch gerade erst bekommen!«
    »Wir passen schon auf, dass er nicht gestohlen wird«, sagte Lennart gereizt. »Also, beweg dich mal ein bisschen. Das hebt die Stimmung.«
    Kiss riss das Wermutglas an sich und marschierte los, um sich einen Platz am Tresen zu suchen.
    »Frauen«, sagte Lennart und lächelte, wie um sich zu entschuldigen. »Du musst wissen, wie du mit ihnen umzugehen hast.«
    »Woher soll ich das schon wissen.«
    »Dann schau zu und lern, alter Freund. Aber nicht darüber wollte ich mir dir reden.« Er schob seinen Stuhl näher an meinen. »Es geht um diese dumme Episode vorhin in der Rßdfyllgate.«
    Ich nickte stumm. Lennart hatte einen schelmischen Gesichtsausdruck, als wolle er mich davon überzeugen, dass es sich bei dem Zwischenfall um ein lächerliches Missverständnis gehandelt habe. Dann wurde er plötzlich ernst. »Das muss natürlich sehr unangenehm für dich gewesen sein. Und ich kann das nur zutiefst bedauern. Aber für mich war es auch nicht komisch. Meinen besten Freund zu ignorieren, meine ich. Aber so kann es gehen, wenn man sich in den Dienst eines exzentrischen Menschen begibt.«
    »Der Spinnenmann«, rutschte es mir heraus.
    »Der Spinnenmann!« Lennart kicherte entzückt. »Ja, das muss ich ihm erzählen, wenn ich ihn das nächste Mal sehe. Gott, was für ein blöder Name!«
    »Wie heißt er denn wirklich?«
    Lennart gab keine Antwort. Er spielte mit der Goldkette, die er um das Handgelenk trug. Es war offenbar ein Damenschmuck, ein niedliches kleines Teil aus zusammengeketteten Herzen. Ich ärgerte mich, ich hätte ihn zu gern gefragt, ob er im sündigen Berlin in geschlechtliche Verwirrung geraten sei. Aber die Kette war sicher nur ein Geschenk einer Bewunderin, etwas, das er in alle Ewigkeit zu tragen geschworen hatte. Besser, ich blieb bei unserem Thema.
    »Also, wie heißt der Mann?«, fragte ich noch einmal.
    »Gerade das habe ich geschworen, nicht zu verraten. Vor allem nicht solchen wie dir, mein Freund.«
    »Solchen wie mir?«
    Lennart sah wütend aus. »Ja, sicher, Journalisten! Der Mann ist ein deutscher Regisseur und hat vor, Hamsuns >Hunger< zu verfilmen. Deshalb habe ich mich bereit erklärt, ihn in Oslo herumzuführen. Damit er in Ruhe arbeiten kann, müssen wir uns bedeckt halten.«
    »Aber du hättest mir doch wohl guten Tag sagen können, ohne ihm alles zu verderben?«
    Lennart lachte laut. »Wie schon gesagt, der Mann ist Exzentriker. Er besteht während seines Aufenthaltes in Norwegen auf den strengsten Sicherheitsvorkehrungen. Er hat einen engen Zeitplan und kann für die Presse keine einzige Minute erübrigen.«
    Ich tat so, als sei ich mit dieser Erklärung zufrieden. Ich weiß eigentlich nicht, warum. Ich sah wohl, dass die Lage für
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