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Der Sommersohn: Roman

Der Sommersohn: Roman

Titel: Der Sommersohn: Roman
Autoren: Craig Lancaster
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und zwar nicht allein deshalb, um herauszufinden, was zum Teufel sein Problem war, sondern auch, um meine Ehe zu retten, war ich ganz außer Puste. Sie ging aus dem Zimmer, und ich fand nicht einmal die Worte, ihr zu sagen, dass ich über mich selbst lachte.
    Als ich mich wieder eingekriegt hatte, gelobte ich mir etwas. Ich wusste zwar nicht, ob ich meine Beziehung zu Cindy in Ordnung bringen konnte, indem ich von ihr fortging, aber ich war mir verdammt sicher, dass ich alles dransetzen würde, mit dem Alten quitt zu werden. Er war vielen etwas schuldig, aber ich war als Einziger noch übrig, um die Schuld einzutreiben. Ich redete mir ein, dass er mir gleichgültig sei, aber nicht das, was er mir schuldete, was immer das sein mochte.
    Ich versuchte sogar, das zu glauben.

SAN JOSÉ | 16. – 17. SEPTEMBER 2007
    Am Sonntagabend rief ich John Wallen an, meinen Chef, um ihm mitzuteilen, dass ich ein paar Tage weg wäre ... Warum? Weil mein Vater ein stures, kratzbürstiges, unbegreifliches Arschloch war? Weil meine Frau und ich es keinen Tag aushielten, ohne Gefahr zu laufen, dass bereits ein kleiner Funke von einem Streit unser Haus niederbrennen würde? Die Firmenpolitik bezüglich Urlaub berücksichtigte weder rätselhafte Anrufe von manipulativen Vätern noch einen Ehekrach.
    Es war schlicht und ergreifend so: Für John hatte ich keinen triftigen Grund vorzuweisen. Meine Verkaufszahlen waren schon ebenso lange scheiße gewesen, wie meine Ehe den Bach runterging. Und in letzter Zeit drehte ich mich in einem Teufelskreis von einer Pechsträhne im Job, Stress und den daraus resultierenden Spannungen mit Cindy. All das führte dazu, dass ich meine Arbeit schleifen ließ und mich immer länger außer Haus aufhielt. Ich wusste, dass ich mir nicht mehr viele Fehler erlauben durfte, weder bei meinem Chef noch bei meiner Frau, aber durch puren Dusel stand ich kurz vor mehreren größeren Abschlüssen. Sollten mir die glücken, wäre das Jahr für mich gerettet, und ich würde damit hoffentlich am Arbeitsplatz und zu Hause ein bisschen Gnade finden.
    Jetzt verließ ich meinen Posten.
    »Ist er krank?«, fragte John.
    »Das weiß ich nicht.«
    »Hat er Kummer?«
    »Kann sein.«
    »Hm.«
    Seit sechzehn Jahren arbeitete ich für John. Er hatte aus unserer Pharmafirma in der South Bay eine Erfolgsgeschichte gemacht, und den größten Teil der Zeit war ich sein Starverkäufer gewesen. Ich kannte John gut genug, um zu wissen, was »hm« bedeutete: Er war sauer oder perplex. Hoffentlich nicht Ersteres, aber im Grunde war es mir scheißegal. Denn sonst würde ich wohl kaum wegfliegen.
    »Na, dann hoffe ich, dass alles in Ordnung ist«, sagte er.
    »Ich komme so schnell ich kann zurück, John.«
    Er lachte humorlos in sich hinein. »Das will ich schwer hoffen.«
    Ich buchte mein Ticket für den nächsten Tag. Für beide Flüge erwischte ich den letzten Platz, von San José nach Denver und von dort weiter nach Billings. Den Rückflug buchte ich für Donnerstag, ohne die geringste Ahnung, ob ich Tage, Wochen oder nur Stunden in Montana bleiben würde. Einen Tag vor der Reise hatte mich das Ticket ohne Wochenendaufenthalt knapp dreizehnhundert Dollar gekostet. Ein stolzer Preis, der meine innere Haltung nur noch weiter verfinsterte.
    Cindy versuchte, mich milder zu stimmen.
    »Streite dich nicht mit ihm, lass dich nicht provozieren«, sagte sie. »Fahr nicht aus der Haut.«
    Das war zwar ein vernünftiger Rat, aber ich hielt ihn für schwer umsetzbar. Ich klammerte mich an die schlimmsten Kränkungen, die ich von diesem Mann erfahren hatte, aber Cindy rechnete mir vor: Achtundzwanzig Jahre, geteilt durch zwei Besuche, ist gleich im Arsch. Sie wusste es und sie gab Dad die Schuld – zwar aus keinem anderen Grund als ich, doch sie hielt mir vor, nicht souverän damit umzugehen. Dafür warf ich ihr immer wieder an den Kopf, es sei nicht ihr Problem, sondern meins. Das war ein Irrtum.
    Das Zusammenwirken der räumlichen und gefühlsmäßigen Distanz zu Dad blieb nicht ohne Folgen für unser Familienleben. Vor vier Jahren waren wir nach jahrelangen Versuchen, in denenwir das Kinderkriegen bis an die Grenzen der Wissenschaft ausgelotet hatten, mit der Ankunft von Avery und Adia gesegnet worden. Zu meiner Freude stellte ich fest, dass es wirklich stimmt: Mit Kindern ist jeder Tag eine Entdeckung. Dad bekam davon nichts mit. Für Avery und Adia waren Grandma und Grandpa Cindys Eltern, die hier in San José waren. Meine eigene Mutter hatte
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