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Der Sohn meines Feindes

Der Sohn meines Feindes

Titel: Der Sohn meines Feindes
Autoren: France Carol
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Bett stellte und drückte Tomek darauf nieder, während dieser wieder nach der tröstenden Hand suchte.
    Nach etwa einer halben Stunde gab ein Monitor einen langgezogenen, fast klagenden Laut von sich, der darauf hinwies, dass Erwins Herz aufgehört hatte zu schlagen, und wenig später hob sich auch dessen Brustkorb nicht mehr. Schnell schaltete die Schwester die Geräte ab und läutete nach dem Arzt, der daraufhin Erwins Tod bestätigte.
    Tomek sass wie erstarrt da. Erwin war tot! Sein einziger Freund war nicht mehr! Stoisch liess er die Kondolenzworte über sich ergehen und stand dann auf, um das Zimmer zu verlassen.
    Langsam ging er durch den abgedunkelten Krankenhausflur zum Lift, wo er von Luca eingeholt wurde.
    „Tomek?“, fragte dieser leise.
    „Nicht jetzt, Luca. Bitte.“ Es fühlte sich an, als ob auch ein Teil von ihm gestorben war. Genauso hatte er sich schon einmal gefühlt. Vor gut sieben Jahren, als Erwin ihn in einer dunklen Gasse blutend und völlig verschmutzt aufgegriffen hatte. Jetzt war dieser Mann tot. Erwin hatte ihm damals wieder Hoffnung und Zuversicht geschenkt, doch heute schien er all dies wieder mit sich genommen zu haben. Erwin hatte ihn einfach zurückgelassen.
    Tomek wusste nicht genau, wie er den Weg nach Hause hinter sich brachte. Auf jeden Fall lag er irgendwann in seinem Bett, bis auf die Unterhose ausgezogen und unter der Decke. Hatte er sich selbst entkleidet? Keine Ahnung! Es spielte auch keine Rolle, oder? Nichts spielte eine Rolle mehr! Er war wieder alleine!
    Müde schloss er die Augen, sie brannten von den Tränen, die geweint werden wollten, aber den Weg nach draussen nicht finden konnten.
    „Ist dir kalt, Tomek?“, fragte Luca. Er schüttelte zur Antwort den Kopf. Wann war Luca herein gekommen? Egal, alles war egal!
    „Du zitterst“, hörte er wieder Lucas Stimme. Tat er das? Er fühlte im Moment gar nichts, ausser vielleicht das Brennen der ungeweinten Tränen. Er spürte, wie Luca sich zu ihm auf das Bett legte, sich an ihn schmiegte und einen Arm um seine Brust legte.
    „Weine nur, Tomek. Das ist okay!“, flüsterte Luca in Tomeks Ohr.
    War es das wirklich? Weinen. Wann hatte er zuletzt geweint? Er konnte sich nicht mehr daran erinnern. Tränen waren ein Zeichen von Schwäche, und Schwäche hatte er sich auf der Strasse nicht erlauben können. Er hatte auch nie in der Zeit mit Erwin geweint. Wieso auch, es waren die besten Jahre seines Lebens gewesen. Erwin hatte ihm eine Zukunft geboten und ihm neuen Lebensmut geschenkt.
    Tomek hörte ein unterdrücktes Aufschluchzen und stellte fest, dass es aus seiner eigenen Kehle kam. Und dann kamen sie, die Tränen, die scheinbar unerschöpflich aus seinen Augenwinkeln liefen und ihm die Kehle zuschnürten. Schluchzer begannen seinen Körper zu schütteln, wogegen er sich erfolglos zu wehren versuchte.
    Plötzlich spürte er, wie Luca ihn eng an sich zog und ihm mit der Hand durch die Haare strich.
    „Schsch, alles wird gut“, flüsterte er ihm zu und begann, Tomek kleine Küsse auf die Schläfe zu hauchen.
    Mit einem erstickten Laut schlang Tomek seine Arme um Lucas Körper und vergrub sein nasses Gesicht an dessen Hals. Trost und Geborgenheit wurde ihm hier angeboten, und es war ihm völlig egal, wer ihm dies im Moment spendete. Er fühlte sich, als ob er am Ertrinken war und würde bestimmt nicht die Hand, die ihm zur Rettung entgegengestreckt wurde, ausschlagen!
    ***
    Es war immer noch dunkel, als Luca seine Augen öffnete und sich erst einmal orientieren musste. Er lag nicht im Wohnzimmer auf dem Sofa, sondern in einem Bett. Nach und nach wurde ihm auch klar, wessen Zimmer das hier war.
    In diesem Moment wurde er sich des warmen Körpers bewusst, der sich von hinten an ihn schmiegte. Tomek hatte einen Arm um ihn gelegt, und Luca konnte den gleichmässigen Atem an seinem Nacken fühlen.
    Es hatte lange gedauert, bis sich Tomek beruhigt hatte. Nie hätte Luca gedacht, dass sich Tomek so gehen lassen würde, doch dieser hatte sich in seinem Schmerz richtiggehend an ihn geklammert und irgendwann waren sie beide eingeschlafen.
    Langsam und vorsichtig hob Luca Tomeks Arm, um unter diesem herauszukriechen und aufzustehen. Es war wohl besser zu gehen, bevor Tomek aufwachte und sich daran erinnerte, wie er in seiner Anwesenheit geweint hatte. Er hatte es schon beinahe geschafft, als er wieder zurückgezogen wurde.
    „Nicht“, hörte er Tomeks Stimme hinter sich.
    Steif blieb Luca liegen und wartete ab, ob Tomek dieses
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