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Der Sohn meines Feindes

Der Sohn meines Feindes

Titel: Der Sohn meines Feindes
Autoren: France Carol
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eine Wort vielleicht nur im Schlaf gesagt hatte. Erneut versuchte er sich loszumachen.
    „Bitte bleib, Luca.“ Tomek schien also ebenfalls wach zu sein.
    Luca drehte sich um und kam mit seinem Gesicht direkt vor Tomeks zu liegen, das er aber aufgrund der Dunkelheit nicht genau erkennen konnte.
    „Wie geht es dir?“, fragte Luca leise.
    „Wie soll es mir schon gehen? Ich kann einfach nicht glauben, dass Erwin nicht mehr da ist.“ Die Worte klangen so traurig, dass Luca dem Drang nicht widerstehen konnte, Tomek zart über das Gesicht zu streicheln.
    „Es tut mir so leid. Erwin wird auch mir fehlen, obwohl ich ihn nur so kurze Zeit gekannt habe“, entgegnete Luca.
    „Ja. Er war etwas ganz Besonderes. Er hat mich aus dem Dreck geholt und mir eine Zukunft in Aussicht gestellt. Jetzt bin ich wieder ganz allein“, flüsterte Tomek niedergeschlagen.
    „Du bist nicht alleine, Tomek. Ich bin doch noch da.“ Luca hielt den Atem an. Was würde Tomek nun wohl antworten?
    „Niemand kann Erwins Platz einnehmen.“ Tomeks Stimme hatte einen ablehnenden Tonfall angenommen.
    „Nein, das nicht. Aber ich könnte dir helfen, mit diesem Verlust fertigzuwerden“, sagte Luca.
    „Und wie soll das aussehen?“
    „Keine Ahnung, aber ich möchte es wirklich versuchen.“
    Lange sagte keiner von beiden etwas. Sie hielten sich einfach nur umschlungen und jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
    „Ich werde die Beerdigung organisieren und all die Formalitäten erledigen müssen. Wirst du mir helfen?“, unterbrach Tomek die Stille.
    „Natürlich. Du brauchst mir nur zu sagen, was ich tun soll.“
    Sein Nicken spürte Luca mehr, als dass er es sah. Mit einem Ruck wurde er plötzlich wieder näher an Tomeks harten Körper gezogen.
    „Lass uns noch etwas schlafen, danach packen wir alles an, okay?“
    Auch Luca nickte und schloss die Augen. Es schien, als ob Tomek die Feindseligkeit ihm gegenüber begraben hatte, für den Moment zumindest. Zuversicht machte sich in Luca breit. Zuversicht, dass Tomek und er sich eines Tages doch wieder näherstehen könnten. Mit diesem Gedanken und dem wärmenden Gefühl des anderen Körpers schlief er schliesslich wieder ein.
    ***
    Tomek stand wieder vor einem Grab, ebenso wie Luca. Diesmal jedoch war auf dessen Gesicht echte Trauer zu erkennen, was Tomek zeigte, dass Luca damals um seinen leiblichen Vater nicht getrauert hatte. Er war froh um Lucas Beistand. Der Kleine hatte ihn in den letzten Tagen unterstützt, wo er nur konnte. Das Tröstlichste jedoch war die schlichte Anwesenheit von Luca, die Tomek das Gefühl gab, tatsächlich nicht allein zurückgelassen worden zu sein.
    Nach der Beerdigung fuhren sie direkt nach Hause, wo Luca gleich in der Küche verschwand, um zu kochen. Wenig später betrat auch Tomek den Raum, holte zwei Flaschen Bier aus dem Kühlschrank und gab eine davon Luca. Er setzte sich auf einen Stuhl und beobachtete ihn bei der Arbeit.
    Luca war mehr als hübsch mit seinen hellbraunen Locken, den feingeschnittenen Gesichtszügen und vor allem diesen ganz speziellen Augen. Sein Körper war zwar schlank, aber sehnig, und es hatte sich gut angefühlt, als Tomek diesen vor ein paar Tagen die ganze Nacht an sich gepresst hatte.
    Seither waren sie sich nicht mehr näher gekommen. Eigentlich hätte es Tomek nur Recht sein sollen, aber es hatte sich so verdammt gut angefühlt, den Kleinen im Arm zu halten. Ganz so, als ob dessen Körper eine Symbiose mit dem seinen bilden würde. Er musste sich eingestehen, dass Luca ihn erregte, was alles andere als gut war. Er wusste ja noch nicht einmal, ob Luca auf Frauen oder Männer stand. Dieser hatte niemals auch nur eine Andeutung in irgendeine Richtung gemacht. Hinzu kam, dass ein Teil von Tomek sich nach wie vor dagegen sträubte, Luca näher an sich heranlassen zu wollen. Fakt war, dass er sich stets in dessen Anwesenheit hin und her gerissen fühlte. Einerseits wollte er ihn an sich reissen, ihn in sein Bett zerren und mit ihm alles Mögliche anstellen. Andererseits wollte er ihn von sich stossen und zum Teufel wünschen.
    „Tomek?“, holte Luca ihn aus seinen Grübeleien.
    „Hm?“
    „Was geschieht jetzt eigentlich mit dem Tattoo-Studio? Ich meine, jetzt, wo Erwin nicht mehr da ist?“
    „Erwin hat bereits vor langer Zeit das Studio auf mich überschreiben lassen, genau wie den Rest seiner Habseligkeiten. Er hatte keine Verwandten mehr und war ebenso allein wie ich“, antwortete Tomek.
    „Du bist nicht allein, Tomek“,
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