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Der Smaragdenregen

Der Smaragdenregen

Titel: Der Smaragdenregen
Autoren: Jurij Kusnezow
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Kostja begeistert, »das versteht man wenigstens!« Er gab Viola einen leichten Rippenstoß mit dem Ellbogen.
    »Ich bin eben nicht so geübt«, maulte das Mädchen.
    »Ja, und nun konkret«, fuhr der Geologe fort. »Auf der Vorderseite zeichnen wir die Erde ein, auf der Rückseite die Irena. Sie befinden sich einander genau gegenüber, so daß man sie auch als Zwillingsplaneten bezeichnen könnte. Jetzt nehmen wir eine Nadel und durchstechen das Blatt an mehreren Stellen. Die kleinen Löcher, die dabei entstehen, sind die Synchrotunnel. Durch sie kann man von einer Seite des Blattes auf die andere gelangen, also von einem Planeten auf den anderen.«
    Kusmitsch hüstelte: »Und wo befinden
wir
uns?«
    »Mitten im Blatt. Eben im Elmenland! Die Doppelgänger aber entstehen durch die gebündelte Energie. Wenn ein Mensch in den Synchrotunnel gerät, wächst sie automatisch bis zum Zweifachen an. Deshalb kann er sich auch teilen und gewissermaßen sein Doppel bilden. Will er den Tunnel wieder verlassen, muß er die abgegebene Energie erneut in sich aufnehmen. Er muß sich mit seinem zweiten Ich verbinden oder die Kraft anderweitig zurückgewinnen, sonst kann er sich nicht befreien.«
    »Himmel«, stöhnte Kostja, »das verstehe ich jetzt zwar einigermaßen, doch erleichtert fühle ich mich dadurch nicht.« Seine Stimmung sank merklich.
    »Nur keine Bange«, tröstete ihn Viktor Stepanowitsch, »noch ist nicht alles verloren.«
    Und plötzlich, an den Kraken gewandt:
    »Zeig mir doch mal die Perle, Prim.«
    Der Achtfüßer langte in seinen Mantelsack und hielt dem Geologen seinen Schatz hin. Der Wissenschaftler stieß vor Verwunderung einen Pfiff aus:
    »Die ist ja wunderschön!« rief er. »Ich habe noch nie eine Haliotisperle von solcher Reinheit und Färbung gesehen! Ein ähnliches Schmuckstück hat einst den russischen Maler Wrubel zu einem Bild inspiriert, das später sehr berühmt wurde. Er nannte es auch ›Die Perle‹.«
    »Meine Güte, Viktor Stepanowitsch«, sagte Viola beeindruckt, »gibt es eigentlich etwas, das Sie nicht wissen?! Ich glaube kaum.«
    »Doch, mein liebes Fräulein, das gibt es durchaus«, erwiderte der Geologe scherzhaft. »Zum Beispiel ist mir noch völlig unklar, wie ich uns alle hier rausbringen soll.«
    Viktor Stepanowitsch drehte und wendete die Perle in seinen Fingern, konnte sich nicht satt sehen an ihr.
    »Nach alten Überlieferungen sollen Perlen Glück und Gesundheit bringen«, sagte er. »Immerhin handelt es sich ja um einen lebenden Stein. Um einen Zauberstein geradezu!«
    Er gab dem Kraken sein Kleinod zurück:
    »Paß gut auf die Perle auf. Ich habe das Gefühl, daß sie uns noch von Nutzen sein wird… Wie bist übrigens du in diesen Tunnel geraten, Prim?«
    Der Krake erzählte, was er schon den Kindern geschildert hatte.
    »Da bist du wirklich vom Regen in die Traufe geraten«, sagte Viktor Stepanowitsch kopfschüttelnd.
    Der Gedanke von vorhin ging ihm wieder im Kopf herum. Wie war das gleich gewesen: Kusmitsch hatte von der Ähnlichkeit der beiden Kinder gesprochen. Und wenn man nun ihre Energie bündelte, indem man sie gemeinsam an den Punkt zurückbrachte, wo sie sich zum ersten Mal getroffen hatten? Dann konnte man vielleicht, wie beim Schachspiel mit König und Turm, hier mit König und Dame eine Rochade versuchen. Den König Kostja, dessen Doppelgänger sich auf der Irena befand, zurück zur Erde, die Dame Viola, die von der Erde gekommen war, zurück auf die Irena schicken. Ja, das müßte gehen, der Krake würde mit seiner hypnotischen Kraft den Schub noch verstärken. Auf diese Weise war wenigstens das Problem der Kinder gelöst.

    In der Tat, das konnte etwas werden! Der Geologe stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Nur eine Winzigkeit störte ihn noch: Der Zeitpunkt ihres Erscheinens im Tunnel fiel nicht zusammen, und das war möglicherweise hinderlich. Die Kräfte mußten sich die Waage halten, verlangten einen Ausgleich. Wenn man allerdings einen Gegenstand hinzunahm, der die natürliche Körperwärme beeinflußte… Klar, die Haliotisperle! Ihr wurden ja nicht von ungefähr entsprechende Eigenschaften nachgesagt. Es käme auf den Versuch an!
    Der Plan war gefaßt. Sie mußten zunächst zu der Stelle zurückkehren, an der sich die Kinder begegnet waren. Keine Frage, daß Prim bereit war, sich ihnen zuliebe von seinem Schatz zu trennen. Wenn’s auch furchtbar schwer fiel. Die Perle selbst wird wahrscheinlich in zwei Hälften zerfallen, dachte der Geologe.
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