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Der silberne Buddha

Der silberne Buddha

Titel: Der silberne Buddha
Autoren: Wolfgang Ecke
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ihm einen Hieb versetzt. Er verfluchte sie, den Hund und Drake, der ihn in diese Lage gebracht hatte.
    „Ich wollte nichts stehlen, ich wollte nur...“
    Terrys Knurren schwoll zu einem vibrierenden Röhren an und erstickte Wilsons Verteidigungsrede im Keime.
    „Mac, komm rein, Terry hat eine Ratte gefangen!“ schrie Mrs. Withney, und die Schallwellen ihrer Stimme durchquerten das Zimmer, das offene Fenster und die gesamte Hoffläche.
    Sie gehörte zu jener Sorte von zupackenden Frauen, die Floyd Wilson von jeher Abneigung und Unbehagen einflößten. Er fühlte sich neben ihnen unsicher. Dieses Gefühl der Unsicherheit war so ausgeprägt, daß er schon knallrot wurde, wenn ihn beispielsweise eine Omnibusschaffnerin fragte, ob er das Fahrgeld nicht zufällig abgezählt zur Hand habe.
    An Esther Withney war nur mehr wenig Weiches. Ihr kantiger Körper, die straffgekämmten grauen Haare und die scharfen Züge ließen die Arbeit ahnen, die sie in ihrem Leben schon bewältigt hatte. Wer sie so betrachtete, kam leicht zu dem Schluß, daß er eine Frau vor sich hatte, der das Lachen fremd geworden war. Ja, mehr noch, daß sie es vielleicht nie erlernt haben könnte.
    Doch dieser Schein trog.
    Auch Esther Withney war einmal ein lebenslustiges Mädchen, eine fröhliche junge Frau gewesen. Bis dann eines Tages ein grausames Schicksal über viele Jahre hinweg ihr ständiger Begleiter wurde. Ein Begleiter, der ihr Unglück über Unglück bescherte.
    Trotzdem hatte sie nie resigniert und nie aufgesteckt. Die Kette der Schicksalsschläge begann mit dem Tod ihres Mannes Jacob Withney, der im Alter von nur 34 Jahren vom Dach der Scheune stürzte. Er fiel dabei so unglücklich, daß jede Hilfe zu spät kam.
    Sie stand an den Gräbern der einzigen Tochter, des Schwagers und dessen Frau, die gemeinsam einem Verkehrsunfall zum Opfer fielen. Nur einem Zufall war es zu verdanken, daß Mac, ihr Neffe, damals vier Jahre alt, bei der Fahrt nach Southend nicht dabei war. Zwei Jahre nach dieser Tragödie brannte die Farm mit sämtlichen Gebäuden nieder.
    Gemeinsam mit ihrem Vater baute Esther Withney in jahrelanger Arbeit alles wieder auf.
    Der letzte bittere Schlag für sie kam, als der von ihr aufgezogene Mac in die falsche Gesellschaft geriet und sich plötzlich vor den Schranken des Gerichts wiederfand.
    Als gelernter Elektriker hatte er sich auf die Lohnliste einer Bande setzen lassen, die auf das Ausrauben von Warenlagern im Londoner Hafen spezialisiert war. Seine Aufgabe bei den diversen Unternehmungen bestand darin, die Stromzufuhr zu den Scheinwerfern auf die verabredete Sekunde genau zu unterbrechen.
    Mrs. Withney verkaufte ein Stück Land und nahm für Macs Verteidigung einen der besten Londoner Anwälte.
    Mac Withney kam mit sechs Monaten auf Bewährung davon.
    Doch er dankte es seiner Tante schlecht.
    Statt die gerichtliche Auflage zu erfüllen, sich drei Monate lang jede Woche einmal auf der Polizeistation von Danbury zu melden, verschwand er spurlos.
    Ein halbes Jahr später verhafteten ihn Beamte des Yard bei dem versuchten Überfall auf einen Lohngeldtransport der Firma Logman & Stratt.
    Die Quittung: zwei Jahre — ohne Bewährung. Diesmal kam Esther Withney ihm nicht zu Hilfe. Aber sie holte ihn vom Gefängnistor ab. Gegen das Versprechen, seine Finger künftig aus gesetzeswidrigen Geschäften zu lassen, wollte sie ihm zu einem neuen Start verhelfen.
    Das war vor dreißig Monaten. Mac zählte haargenau 24 Jahre.
    „Ich bleibe auf der Farm und versuche es mit der Schafzucht!“ hatte er damals gesagt.
    Inzwischen gab es über achthundert Schafe auf der Farm, und Esther Withney zwang sich daran zu glauben, daß ihr Neffe das rettende Ufer erreicht hatte. Wenn er hin und wieder für zwei, drei Tage wegfuhr, so tat er es mit der Begründung, einmal Stadtluft atmen zu müssen.
    Bis zum heutigen Tag hatte die Polizei nicht mehr an seine Tür geklopft.
    Und nun trat Mac Withney ins Zimmer. Unbewegt starrte er Wilson an.
    „Wer ist dieser Mann, Tante Esther?“
    „Eine Kanaille aus der Gosse. Ein Dieb!“ stieß sie hervor.
    „Was hat er gestohlen?“
    „Ich habe seine Taschen nicht durchsucht. Terry hat ihn gestellt.“ Und haßerfüllt fügte sie mit glänzenden Augen hinzu: „Wir wollen ihm eine Lektion erteilen, Mac.“
    „Was haben Sie eingesteckt, Mister?“ fragte Mac Withney. Dabei klang seine Stimme fast unbeteiligt. So, als halte er den Fremden für ein Insekt, das man jederzeit zwischen Daumen und Zeigefinger
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