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Der silberne Buddha

Der silberne Buddha

Titel: Der silberne Buddha
Autoren: Wolfgang Ecke
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die Zukunft zu denken, also ein eigenes Geschäft zu besitzen. Vielleicht eine Schießbude mit viel Licht, fröhlichen Farben und originellen Zielen. Oder ein Kettenkarussell mit Lautsprechern, durch die er den Besuchern sagen konnte, daß es kein schöneres Gefühl gäbe als das, nur an vier Ketten hängend durch die Luft zu schweben. Doch immer, wenn er in der Zeitung von einem Verkaufsangebot las und Verbindung zu dem Verkäufer aufnahm, stellte sich schon bald heraus, daß sein Geld nicht reichte.
    Als er den Entschluß faßte, sich die Kasse eines Bäckers in Sheffield anzueignen, tat er damit den ersten Schritt in die falsche Richtung. Dabei ließ sich das Vorhaben so vielversprechend an. Dank seiner unglaublichen Geschicklichkeit im Umgang mit Schlössern jeder Art brauchte er nur wenige Minuten, um bis in den Laden vorzudringen, in dem tagsüber vier (!!!) Verkäuferinnen vollauf damit beschäftigt waren, Berge von Brot, Brötchen und Kuchen zu verkaufen und dafür Unsummen von Geld zu kassieren. So jedenfalls war es Nichols vorgekommen, als er selbst einmal in den Laden kam, um zwei Brote zu kaufen.
    Auch der Mechanismus des Kassenschlosses stellte ihn vor keine Probleme.
    Doch dann passierte es.
    Als Alf Pieter die Kassenschublade herauszog, verschlug es ihm den Atem. Ein einziger blankgeputzter Penny sah ihm entgegen.
    Er geriet darüber so in Wut, daß er die gesamte Einrichtung des Bäckerladens zu demolieren begann. Und damit ihm ja auch kein Glas, keine Scheibe und keine Porzellandose entging, schaltete er vorher das Licht ein.
    Luisa, die zweieinhalb Zentner schwere Frau des Bäckers, traf zuerst am Schauplatz der Verwüstung ein. Im Nachthemd, dicken Wollsocken (sie litt an kalten Füßen), aufgedrehten Haaren und einer Nickelbrille auf der Nase, so stürzte sie kreischend in den Laden. Mit einem Holz aus der Backstube hieb sie dem vermeintlich Verrückten das Bewußtsein aus dem Kopf. Die inzwischen vor dem erleuchteten Fenster versammelten Nachtbummler klatschten begeistert Beifall.
    Als Penny wieder zu sich kam, lag er auf einer Holzpritsche und blickte mitten hinein in das freundliche Gesicht des Polizeiarztes.
    Über die Hälfte seines ersparten Geldes ging für den Schadenersatz drauf, den er Mister Bullert, dem Bäcker in Sheffield, zahlen mußte.
    Doch sei an dieser Stelle nicht vergessen zu bemerken, daß Nichols bei dieser Gelegenheit nicht nur seine erste Strafe und seinen Spitznamen erhielt. Als er nach vierzehn Tagen das Gefängnis verließ, trug er außer einer bösen Erfahrung und dem Mitleid mit sich selbst auch viel Wissen über exotische Vögel und einen Vogelkäfig mit hinaus. Er enthielt einen Safranfinken. Sein Zellengenosse Ellrich, der krank geworden war, hatte ihn gebeten, den Vogel an sich zu nehmen und zu versorgen. Er selbst rechnete mindestens mit einem dreiviertel Jahr Strafe und wollte ihn nach seiner Entlassung bei Penny abholen.
    Doch Joe Ellrich war nie auf getaucht. Weder nach einem dreiviertel Jahr noch später. Der Safranfink, von Penny „Tom“ genannt, bekam im Wohnwagen einen Platz am Fenster. Als er eines Tages, ungefähr vier Jahre später, tot über dem Futternapf seines Käfigs hing, gab es in Pennys Wagen schon sieben andere Käfige mit exotischen Vögeln...
    All das lag viele Jahre zurück.
    Der Wohnwagen, die Rummelplätze, die Karussells und Belustigungsbuden, der ganze große fröhliche Lärm und die tausend Gerüche waren Vergangenheit geworden. Anstelle des eigenen Geschäfts besaß Penny Nichols in einem alten, schäbigen Haus in Brixton eine Wohnung. Sie lag in der Nähe der Pulross Road.
    Obgleich sie sich im dritten Stockwerk befand, klirrte das Geschirr im Schrank, wenn unten die Züge vorbeidonnerten. Und doch nannte er die kleine bescheidene Wohnung mit den schrägen Wänden das „Paradies der Vögel“.
    Sechsundzwanzig Exoten in zwanzig großen und weniger großen Käfigen gehörten zu seiner „Familie“. Sie hegte und pflegte er; mit ihnen unterhielt er sich, ihrem Locken, Rufen, Zwitschern, Pfeifen und Singen vermochte er stundenlang zuzuhören.
    In diesem Augenblick stampfte er, mit zwei großen Papiertüten in den Armen, atemlos die knarrenden Holzstufen zur dritten Etage hinauf. Kurz vor dem letzten Treppenabsatz stutzte er. Wo blieben die Geräusche seiner gefiederten Mitbewohner? Kein Laut drang aus der Wohnung... und dann... er hob schnuppernd die Nase. Ein eigenartiger Geruch lag in der Luft. Es war kein Essengeruch. Dafür war
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