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Der silberne Buddha

Der silberne Buddha

Titel: Der silberne Buddha
Autoren: Wolfgang Ecke
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London schlug. Hier nämlich wohnte William Miller, der Bruder und nächste Erbe jenes Jonas Miller. Was die Hinterlassenschaft des Fischhändlers anbetraf, so handelte es sich hierbei um ein stattliches Wohnhaus, das aus allen Ecken und Enden nach Fisch roch und dessen acht Zimmer vollgestopft waren mit präparierten Pflanzen aller Arten, Größen und Sorten. Zum Erbe gehörten ferner ein riesiger Garten, ein kleiner Motorkutter und die Überzeugung sämtlicher Einwohner von Wilkesham, daß der alte Jonas zwar ein lieber, aber auch ein bißchen ein wunderlicher Zeitgenosse war.
    Die Tatsache, daß der fünfzehn Jahre jüngere Bruder William, statt das Anwesen zu verkaufen, London verlassen und selbst in Wilkesham einziehen wollte, hatte unter der großstädtischen Verwandtschaft wie eine Bombe eingeschlagen.
    Und im Stadtteil Norwood, Starplace, Hausnummer 14, heulte Dicki Miller fünf Nächte lang sein Kopfkissen naß. Denn in seiner Gunst rangierte Großvater Miller noch vor den Eltern und Perry Clifton. Es hatte Perry Cliftons ganzer Rede- und Überzeugungskunst bedurft, Dicki Miller klarzumachen, daß ein Großvater mit Haus und eigenem Motorboot im fernen Schottland besser sei als ein Großvater mit nur einer kleinen Wohnung in London.
    Schließlich gäbe es im Jahr ja einige Mal Ferien...
    Inzwischen lebte Dicki bereits vom Pläneschmieden. Während er den Eltern, Tanten, Onkels und dem Großvater beim Auseinandernehmen, Packen, Wegwerfen, Sortieren, Einwickeln und Beschriften unzähliger Kisten und Kartons half, eilten seine Gedanken schon nach Wilkesham voraus.
    Bis zu den nächsten Sommerferien war es ja nicht mehr so lange hin.
    Und heuchelte er auch zu dem Vorschlag seiner Eltern, drei Wochen eben dieser Ferien auf der Kanalinsel Jersey zu verbringen, Begeisterung, so stand sein wirkliches Ferienreiseziel längst fest: Er würde nach Wilkesham zu Großvater fahren!
    Mit dem Zug natürlich...
    Und dabei fiel ihm ein, daß er ja schon einmal mit dem Zug nach Schottland gefahren war. Zusammen mit Mister Clifton. Auf Schloß Catmoor hatten sie den geheimnisvollen Fall um einen weißen Raben geklärt.
    Mit dem Zug nach Wilkesham. Wer hätte das gedacht! Schon jetzt liebte er das kleine schottische Dorf, das er bisher nur von Bildern kannte, so innig, als läge es in jenem glücklichen Land, in dem es weder Lehrer noch Schule, dafür aber immerwährende Ferien gab.
    Dann kam der Nachmittag des letzten Maitages.
    Dicki saß in Großvaters Küche und wickelte Teetassen in Zeitungspapier ein, das man ihm zu diesem Zweck hingelegt hatte.
    Nebenan im Wohnzimmer waren Mutter und Tante Gwendolin mit der Sichtung von Großvaters Garderobe beschäftigt.
    Großvater selbst saß draußen auf dem winzigen Schlafzimmerbalkon, kümmerte sich um nichts und kaute gedankenverloren und zufrieden auf einer kalten Zigarre herum. Er nannte es die „große Schaltpause“. Und in dieser wollte er nicht gestört werden. Nicht einmal von Dicki...
    Das erste Mal war es nur ein flüchtiges Überfliegen. Dicki wollte schon die nächste Tasse darin einwickeln, als er sozusagen mit Spätzündung stutzte, sich erinnerte und die wenigen Zeilen noch einmal mit ganzer Aufmerksamkeit las. Und jetzt war er echt aufgeregt. Vorsichtig riß er den Artikel heraus und verstaute ihn in seiner Hosentasche.
    Hallo, das hätte er ja beinahe vergessen. Noch einmal ergriff er die jetzt zerrissene Zeitungsseite und sah nach dem Datum.
    Es war die Ausgabe vom 29. Mai.
    Ungeduldig wartete er, daß die Zeit schneller verging.
    Noch drei Stunden, bis Dad sie abholen würde. Schade, daß Großvater kein Telefon besaß. Er hätte auf der Stelle Mister Clifton angerufen.
    Dicki sprang auf.
    Wenn er schon nicht mit Perry Clifton sprechen konnte, dann wollte er wenigstens Großvater seinen Fund präsentieren!
    Dicki versuchte seinen Vater zur Eile anzutreiben. Immerhin ging es bereits auf acht Uhr abends zu. Doch Fred Miller ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. „Ich habe in diesem Monat schon drei Strafmandate für zu schnelles Fahren bekommen, mein Sohn. Das reicht!“
    Und Mrs. Miller pflichtete ihrem Mann bei: „Du fährst schnell genug, Fred. Wenn es Dicki schneller haben will, soll er den Omnibus nehmen.“
    „Der schleicht ja noch langsamer!“ maulte Dicki. „Ich komme mir vor wie beim Großen Preis vom Schneckenrennen.“
    Mr. Miller lachte. „Wenn du so schnell rechnen könntest, wie ich jetzt fahre, würde aus dir ein Mister Einstein.“
    „Aber
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