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Der Siegelring - Roman

Titel: Der Siegelring - Roman
Autoren: Andrea Schacht
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Zeit abgespielt hat. Ich wäre sehr froh, wenn du nicht einfach wieder aus meinem Leben verschwinden würdest, Anahita. Auch wenn dies hier als Anfang einer Beziehung etwas unkonventionell ablief. Aber ich muss heute Abend noch nach Rom, und mein Flug geht in anderthalb Stunden. Ich bringe dich jetzt nach Hause.«
    »Zu meinem Auto, das steht noch auf der anderen Rheinseite. Von dort aus führt der Weg direkt zum Flughafen.«
    Er nahm mich noch einmal in die Arme und küsste mich zärtlich. Dann stand er auf, und auch ich krabbelte aus den Decken und suchte meine Kleider zusammen. Irgendwo im Raum klingelte ein Telefon, und ich hörte, während ich mich anzog, wie er antwortete.

    »Ja, ich habe es vergessen! - Reg dich nicht auf, Belinda. Ich habe die Tickets, und wir treffen uns am Flughafen.«
    Er kam zurück und holte eine Reisetasche aus dem Schrank.
    »Deine Freundin?«
    Er drehte sich zu mir um und zuckte leicht die Schultern.
    »Ich habe dich erst heute kennen gelernt, Anahita.«
    »Ja.«
    Mit geübten Griffen packte er seine Sachen.
    Wir fuhren zurück und waren beide sehr schweigsam. In diesen Minuten gab es nicht viel zu sagen. Alles, was ich hätte anfangen können zu erzählen, würde weitaus mehr Zeit benötigen als die, die uns noch blieb. Ihm ging es wohl ähnlich. Es war schon dunkel geworden, als wir den Parkplatz erreichten, wo ich morgens mein Auto hingestellt hatte. Er stieg mit aus und wartete, bis ich die Tür aufgeschlossen hatte.
    »Hier ist meine Karte. Alle möglichen Telefonnummern und Adressen stehen darauf. Ruf mich an, Ana! Bald! Wir treffen uns, wenn ich meinen Job erledigt habe.«
    »Ja, Valerius.«
    Ich steckte die Karte, ohne sie anzuschauen, in meine Handtasche. Noch eine kurze Umarmung, dann ließ er mich los und sagte: »Es tut mir Leid, aber ich muss mich beeilen.«
    »Bis bald!«
    »Bis bald!«
    Ich stieg ein und sah, wie der große Wagen davonfuhr. Ein Kölner Kennzeichen, dann VC. Die Ziffern wurden durch das rasche Entfernen unkenntlich.

    Wie benommen fuhr ich in meine Wohnung. Irgendwann merkte ich, dass ich hinter dem Kehrfahrzeug herzockelte, das die Straße reinigte. Kurz vor meiner Wohnung überholte ich es ungeduldig und parkte, wie üblich, in der Parkmulde am Straßenrand. Als ich ausstieg, passierte es. Meine Handtasche rutschte vom Sitz. Sie sprang auf, und die Karte, die Valerius mir gegeben hatte, flatterte heraus. Mit namenlosem Entsetzen musste ich zusehen, wie sie von der Bürste des Reinigungsfahrzeugs aufgenommen wurde und in dessen Inneren verschwand.
    »Nein!«, stöhnte ich. »Das darf nicht wahr sein!«
    Aber es war geschehen. Und nun stand ich da, spürte noch die Berührungen des Mannes auf meiner Haut, nach dem ich mich mehr gesehnt hatte, als ich es für möglich gehalten hatte. Den Mann aus meinen Träumen, ich war ihm entgegen allen Vorstellungen begegnet - und hatte ihn verloren. Ich wusste nicht mehr von ihm als zuvor - nämlich dass er Valerius hieß.
    Mechanisch sammelte ich meine Habseligkeiten auf, leerte den Briefkasten und ging in meine Wohnung. Mit der Stirn an das kühle Fenster gelehnt starrte ich in die Dunkelheit hinaus. Keine Adresse, keine Telefonnummer, noch nicht einmal seinen Nachnamen kannte ich. Es war zum Verzweifeln.
    Ich war verzweifelt.
    Nach einiger Zeit löste ich mich vom Fenster und knipste das Licht im Zimmer an. Der Anrufbeantworter blinkte, aber ich hatte keine Lust, ihn abzuhören. Wahrscheinlich war es doch nur wieder Uschi, die mir den neuesten Klatsch erzählen wollte. Die Therapie, der sie sich hatte unterziehen müssen, hatte ihr gut getan, und unser Verhältnis hatte sich weitgehend entkrampft. Ich nahm die Briefe und Karten, die ich aus dem Postkasten
gefischt hatte. Rechnungen, Werbesendungen. Eine knallig bunte Postkarte mit barbusigen Sambatänzerinnen. Sie hatte drei Wochen gebraucht, um zu mir zu gelangen, und war wahrscheinlich in einem Urwaldbriefkasten eingeworfen worden. Doch Marcs aufmunternde Worte waren es, die auf mich wie ein Tritt in die Seite wirkten. Marc, der so gut recherchierte. Was würde er damit anfangen können, was ich jetzt über Valerius wusste? Dass er kein Hirngespinst war, sondern ein Mann aus Fleisch und Blut. Ich wusste, wie er aussah, sein ungefähres Alter, dass er gewiss weder Penner noch Bauer war, irgendwo im Süden von Köln eine Junggesellenwohnung hatte und ein Auto mit dem Kennzeichen K-VC fuhr, was darauf schließen ließ, dass sein Nachname mit C begann. Daraus
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