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Der Schwur der Königin

Der Schwur der Königin

Titel: Der Schwur der Königin
Autoren: Christopher W. Gortner
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essen. Jetzt beäugte sie mich sichtlich besorgt. Ihr erheblich üppigerer Körper nahm sich auf ihrem scheckigen Wallach so natürlich und anmutig aus, dass man meinen konnte, sie hätte ihr Leben lang auf ihm geritten. Ihre markanten Züge wurden von ihrem unter Haube und Schleier hervorquellenden, dichten schwarzen Haar umrahmt.
    An Alfonso gewandt, sagte sie: »Eure Hoheit hat doch sicher darauf geachtet, dass dieses königliche Tier ordentlich zugeritten wurde. Wir wollen schließlich nicht, dass Eurer Schwester etwas Unerwünschtes geschieht.«
    »Natürlich ist er zugeritten. Don Chacón und ich haben das persönlich getan. Isabella wird nichts passieren. Nicht wahr, hermana ?«
    Noch während ich nickte, befiel mich eine geradezu lähmende Angst. Wie konnte irgendwer von mir erwarten, dass ich diesem Tier zeigte, dass ich das Sagen hatte? Und als spürte er meine Gedanken, tänzelte Canela seitwärts. Ich stieß einen Schrei aus und riss an den Zügeln. Schnaubend blieb er stehen und legte die Ohren an. Ihm missfiel eindeutig, was ich da mit seinem Zaumzeug anstellte.
    Alfonso zwinkerte mir zu. »Na also. Sie hat ihn im Griff.« Seine Augen wanderten weiter zu Beatriz. »Benötigt Ihr meine Hilfe, hohe Dame?«, fragte er in einem scherzenden Ton, der jahrelange freundschaftliche Wortgefechte mit der einzigen und eigenwilligen Tochter des Haushofmeisters unserer Burg erahnen ließ.
    »Ich komme zurecht, danke«, erwiderte Beatriz spitz. »Mehr noch, Ihre Hoheit und ich werden uns wunderbar fühlen, sobald wir ein Gefühl für Eure maurischen Rösser entwickelt haben. Vergesst nur nicht, dass wir nicht zum ersten Mal reiten, auch wenn unsere Gäule bisher, wie Ihr sagt, bloß dumme Maultiere waren.«
    Alfonso lachte und vollführte auf seinem Rotschimmel eine für seine knapp zehn Jahre beachtlich geschickte Wendung, die viel Übung erfordert hatte. Seine leuchtend blauen Augen glitzerten in einem runden, hübschen Gesicht, dessen Züge durch das lange, an den Schultern gerade abgeschnittene Haar betont wurden. »Und bevor du es vergisst«, erwiderte er, »ich reite seit meinem fünften Lebensjahr jeden Tag aus. Erfahrung macht den Meister.«
    »Wie wahr«, bestätigte Alfonsos Erzieher, Don Chacón, von seinem mächtigen Pferd herab. »Unser Infant Alfonso ist schon jetzt ein vorzüglicher Reiter. Der Pferdesport ist ihm zur zweiten Natur geworden.«
    »Das bezweifeln wir auch gar nicht«, warf ich ein, bevor Beatriz etwas darauf sagen konnte. Ich zwang mich zu einem Lächeln. »Nun, ich glaube, wir sind bereit, Bruder. Aber bitte nicht zu schnell.«
    Alfonso drückte seinem Rotschimmel leicht die Fersen in die Flanken und ritt als Erster hinaus aus dem inneren Burghof von Arévalo und unter dem Fallgitter des Haupttors hindurch ins Freie.
    Ich blitzte Beatriz missbilligend an.
    Hinter all dem steckte natürlich sie. Gelangweilt von unserem immer gleichen Tagesablauf, der aus Unterricht, Gebeten und Handarbeiten bestand, hatte sie heute Morgen verkündet, dass wir uns körperlich ertüchtigen müssten, sonst verkämen wir vorzeitig zu alten Jungfern. Wir seien viel zu lange in den eigenen vier Wänden eingesperrt gewesen, sagte sie zur Begründung, womit sie auch recht hatte, denn der Winter war dieses Jahr besonders streng gewesen. Und als sie unsere Gouvernante, Doña Clara, um deren Erlaubnis gebeten hatte, hatte meine aya zugestimmt, weil Ausreiten bei uns stets nur bedeutet hatte, dass wir eine Stunde vor dem Abendessen die älteren Maultiere bestiegen, um gemächlich um die Ringmauern der Burg und des daran angrenzenden Städtchens zu trotten.
    Aber als ich meine Reitkleidung angezogen hatte und mit Beatriz in den Burghof trat, wartete dort Alfonso bereits mit Don Chacón und den zwei rassigen Hengsten – Geschenke unseres Halbbruders, König Enrique. Der Rappe sei für mich, meinte Alfonso. Er heiße Canela – der Zimtfarbene.
    Als ich mithilfe eines Schemels aufgestiegen war, hatte ich meine Befürchtungen noch unterdrückt. Doch meine Angst wuchs, als klar wurde, dass ich rittlings sitzen sollte – a la jineta , wie die Mauren, die bei sehr hoch angebrachten Steigbügeln auf dem schmalen Ledersattel kauerten. Für mich war das freilich eine unvertraute Haltung, die mich gehörig verunsicherte.
    »Ein komischer Pferdename«, hatte ich genörgelt, um meine Angst zu verbergen. »Zimt ist eher hell, aber dieses Tier ist schwarz wie die Nacht.«
    Canela hatte seine Mähne geschüttelt, den ausnehmend
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