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Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Der Schwimmer: Roman (German Edition)

Titel: Der Schwimmer: Roman (German Edition)
Autoren: Zsuzsa Bánk
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nachgezogen, und abends hätten sie am Tisch gesessen und sich einfach nur angesehen, bloß angesehen, und hin und wieder habe Kálmán ein Forintstück über seinen Handrücken springen lassen, vom kleinen Finger zum Daumen und wieder zurück. Später, als es mich und Isti schon gab, hätten sie für Isti gesungen, beide, in der Küche, vor seinem Bett, manchmal ganze Abende, und meine Mutter hätte Kissen auf ihrem Kopf balanciert, um uns zum Lachen zu bringen, und jetzt, da Anna diese Dinge erzählte, fiel mir ein, meine Mutter war ohne Mantel, ohne Schirm durch den Regen gelaufen, im Hof, vor den Ställen und auf dem Weg, der ins Dorf führte, wann immer ihr dieser Regen stark genug schien, und mein Vater hatte in der Tür gestanden und ihr dabei zugesehen, und das Komische war: Es hatte ihn nicht gestört, es hatte ihm gefallen.

    Irgendwann zerbrach etwas, sagte Anna, wie manchmal etwas zerbreche, ohne daß man ungeschickt sei, ohne daß man es wolle, es geschehe einfach. Irgendwer habe dieses Glück wieder eingesammelt, es entzogen, ohne die beiden zu fragen, ob sie genug davon gehabt hätten, ob es ihnen ausgereicht habe. Irgendwann gehe es allein ums Ertragen, fuhr Anna fort, um nichts anderes mehr, aber fürs Ertragen sei Kálmáns Frau nicht gemacht, und jetzt sagte sie wieder: Kálmáns Frau, so wie sie es sonst immer tat, anstatt: eure Mutter oder Kata oder Katalin. Auch sie hätte es ertragen müssen, wie es ihr bestimmt war, erklärte Anna, und dann verstummte sie, als gebe es dazu nichts mehr zu sagen, als wolle sie uns mit diesem Satz entlassen, und wir schauten auf Jenős Bild, vor dem Zsófi jetzt neue Kerzen anzündete, und ich, ich dachte an meine Mutter und an diese Zeit, die Anna hierher, zu uns geholt hatte und die ich sehen konnte, ohne die Augen zu schließen.

    Isti sagte, im Hof kämpfen zwei Tauben, und ich glaube, er sagte es nur, weil er fliehen wollte, hinaus wollte, weg von Anna, von Zsófi, von Jenő, der ihn nicht kümmerte, so wie er jetzt war, schwarz und weiß und eingerahmt, und weil er nichts mehr hören wollte von einer Zeit, in der unsere Mutter spazierenging auf einem Schatten und ihr Haar wachsen ließ, von einer Zeit, in der uns etwas umgeben hatte, das später abhanden gekommen war und von dem wir nicht wußten, warum und wohin. Isti stand auf, obwohl Anna sagte, es ist zu kalt, was willst du draußen, du wirst dich erkälten. Er öffnete die Tür, und vor ihm, vor den Stufen, stand ein kleiner Junge, mit dicker Mütze, die unter dem Kinn zusammengebunden war, in Stiefeln, die bis zu den Knien reichten, und er schaute so, als habe er darauf gewartet, daß man ihm die Tür öffne. Éva, die hinter ihm gestanden hatte, kam jetzt näher und legte eine Hand auf seinen Kopf, auf seine Mütze, sah dabei aber aus, als wolle sie sich lieber umdrehen und gehen. Sie sagte nichts weiter als, hallo, Isti, du bist es also, und Isti ging die Stufen hinab und erwiderte, ja, Éva, ich bin es, hallo.

    Unser Vater hatte Pista in seiner Laube allein gelassen. Jetzt lief er durch den Garten, wir konnten den Rauch seiner Zigarette sehen, seine Schritte hören und dann das kleine Tor hinter dem Stall, das er ins Schloß fallen ließ. Éva rührte sich nicht, und sie schaute uns so an, als wolle sie fragen, ist das euer Vater, ist das wirklich euer Vater? Isti nickte, ohne daß sie etwas gesagt oder gefragt hätte, und als Éva sich umdrehte, war unser Vater schon am Taubenhaus, nur wenige Schritte hinter ihr, und lief weiter, unbeirrt, ohne zu zögern, als sei bloß eingetroffen, was er ohnehin erwartet hatte, und ich weiß nicht, vielleicht sagte er, hallo, Éva, aber ich glaube, er sagte nichts. Éva schaute auf seine Schuhe, als müsse sie sehen, daß er wirklich auf sie zulief und daß wirklich er es war, der über den Hof ging, über diese Steine, mit diesen Schritten, in diesen Schuhen, und dann erst schaute sie hoch in sein Gesicht, und sie schaute so, als habe sie auf unseren Vater gewartet, seit langem, und wenn nicht auf ihn, dann auf genau diesen Augenblick.

    Unser Vater sah hinab auf den Jungen, der zurückschaute, ohne Angst, ohne Scheu, und er schnappte ihn, hielt ihn hoch, vielleicht, weil er glaubte, etwas tun zu müssen, irgend etwas, in diesem Augenblick, auf den Éva sicher gewartet hatte. Er hob den Jungen über seinen Kopf, der Junge lachte, und Éva schaute hoch zu ihm, und dann streckte sie ihre Hände nach ihm aus, um ihn aufzufangen, wenn er fallen würde. Isti und
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