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Der schwarze Schwan von Scheckenstein

Der schwarze Schwan von Scheckenstein

Titel: Der schwarze Schwan von Scheckenstein
Autoren: Oliver Hassencamp
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Personen in Untersuchungshaft genommen. Ein Mädchen des Internats Schloß Rosenfels und ein Junge von Burg Schreckenstein hätten die Polizei auf die Spur gebracht – so stand es in der Zeitung.
    Stephan wußte davon nichts. Verdrossen saß er vormittags im Unterricht, nachmittags und abends in seinem Zimmer. Am Training der Leichtathletikmannschaft nahm er auf eigenen Wunsch zur Zeit nicht teil. Er hatte sich überhaupt weitgehend aus der Gemeinschaft zurückgezogen und redete nur das Nötigste. Selbst Ottokar gegenüber blieb er ungewohnt wortkarg. Den Freund, den er so lange im unklaren gelassen hatte, jetzt einzuspannen, wäre ihm unfair erschienen.
    „Ich muß da allein durch!“ hatte er ihm nach der Schulversammlung in eigener Sache erklärt und sich abends einen Stuhl neben die Telefonzelle gestellt, um auf den Anruf von Beatrix zu warten. Sollten sie ihn sehen, alle! Und sich das Maul zerreißen – für ihn gab es nichts mehr zu verbergen!
    Keiner der Ritter hatte sich über ihn lustig gemacht oder war stehengeblieben, um mitzuhören, als er auf Klingelzeichen mit seinem Stuhl in die Zelle umzog. Nicht einmal Wolf.
    Lang hatten sie miteinander gesprochen, über die gute Seite des Zufalls – das entlastende Mißverständnis durch Mauersäges Besuch bei Fräulein Dr. Horn –, gelacht und sich über des Zufalls schlechte Seite, die Stephan gerade zu spüren bekam, gewundert.
    Beatrix war sehr besorgt gewesen. „Was machst du jetzt? Piesacken sie dich?“
    „Ich weiß nicht“, hatte er geantwortet. „Ich halt mich aus allem raus. Der Ritterrat tagt grade wieder. Ohne mich!“
    „Diesmal bestimmt wegen dir“, lautete ihre Ansicht.
    „Sollen sie. Ich war korrekt“, die seine.
    „Dann mußt du’s durchstehen. Du darfst nicht nachgeben!“
    „Keine Sorge“, hatte er geantwortet. „Mich kriegen die nicht klein!“
    Mit Beatrix kann man reden! dachte Stephan im Unterricht, statt Gießkannes Ausführungen über die Renaissance zu lauschen. Ob ich einfach mal rüberfahre und sie besuche? Allmählich könnt auch die Polizei was hören lassen! Vielleicht steht’s schon in der Zeitung. Waldmann müßte sie haben…
    Während der großen Pause ging er zum Zimmer des Lehrers. Drinnen saß Ottokar, in neueste Neustädter Nachrichten vertieft. Der Freund hatte, wie so oft, den gleichen Gedanken gehabt.
    „Du stehst drin!“ sagte er strahlend und las vor.
    Dr. Waldmann kam herein. Er wußte es bereits. „Gratuliere!“ rief er Stephan entgegen, da klingelte das Telefon. Sonja war’s. Sie hatte ebenfalls die Zeitung gelesen, aber auch Fräulein Dr. Horn. Die Leiterin habe getobt, was hier hinter ihrem Rücken vor sich gehe, gar mit der Polizei. Aber sie werde herausbekommen, wer das gewesen sei. Darauf habe sich Beatrix gemeldet. Jetzt sei sie gerade bei ihr und werde ausgequetscht.
    „Ein Glück, daß Bea mich eingeweiht hat“, schloß Sonja. „So kann ich vielleicht ein gutes Wort für sie einlegen.“
    Eine böse Überraschung. Die drei schauten betreten. Dr. Waldmann schnitt die Meldung aus der Zeitung aus und gab sie Stephan. „Die kannst du bestimmt brauchen!“
    In den folgenden Unterrichtsstunden war Stephan noch abwesender. Sein Entschluß stand fest: Nach dem Mittagessen würde er rüberfahren und zu Fräulein Dr. Horn gehen. Er sei schuld, würde er sagen. Er habe Beatrix da hineingezogen. Mit solchen Geständnissen kam man bei ihr erfahrungsgemäß am weitesten. Entschuldigungen waren Fräulein Dr. Horns heimliches Hobby.
    Doch wieder mischte der Zufall mit. Vor dem Mittagessen kam Andi überraschend in das Zimmer im Südflügel und sagte atemlos: „Stephan, zum Rex. Schnell!“
    „Was ist denn jetzt schon wieder?“ frage Ottokar. Doch da war Andi längst draußen.
    Als Stephan das Zimmer des Schulleiters betrat, stand der am Telefon, die aufgeschlagene Zeitung in der Hand. „Bürgermeister Kress will dich sprechen“, sagte er und übergab den Hörer.
    Kaum hatte Stephan seinen Namen gesagt, legte Kress los. Er überschlug sich schier vor Freundlichkeit. Das sei ja fabelhaft! Das komme grade richtig zu seiner Naturschutzinitiative. Und er wolle ihn sofort sprechen.
    Der Gong hallte durch die Burg. Stephan antwortete, er müsse zuerst zum Essen.
    „Das kannst du bei mir viel besser!“
    Mehr brauchte der Bürgermeister nicht zu sagen. Die Kress’sche Gastwirtschaft in Wampoldsreute war für ihre gute Küche bekannt.
    Der Rex freute sich für Stephan. „Ich sehe, du schaffst es!“
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