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Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition)
Autoren: Lisa Ballantyne
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und lächelte jetzt richtig. »Ich komm schon in Ordnung. Sie brauchen sich über mich keine Sorgen zu machen.«
    Daniel nickte. Er fühlte, wie sich seine Bauchmuskeln anspannten.
    »Ich mag Sie auch«, sagte Sebastian. »Ich denke, Sie sind mein Freund. Ich bin froh, dass Sie mein Anwalt waren …«
    Daniel nickte wieder. Der Kragen war ihm am Hals zu eng.
    »Was meinst du damit … du hast Ben … den Backstein aufs Gesicht getan?«
    »Mir gefiel Bens Gesicht nicht. Ich wollte es einfach zudecken, damit ich es nicht mehr sah. Er war so eine Heulsuse und voller Rotz und wollte nach Hause. Ich sagte zu ihm, er soll aufhören zu heulen . Ich sagte zu ihm, wenn er versucht, nach Hause zu gehen, würde ich ihm was verpassen, über das er heulen kann … und danach, als ich ihm den Backstein aufs Gesicht getan hatte, heulte er überhaupt nicht mehr. Er machte keinen Mucks mehr. Keinen einzigen.«
    Daniel ließ seine Schultern sinken. Er atmete aus und lockerte seine Krawatte. Er beugte sich vor und fuhr sich mit beiden Händen durch das Haar.
    »Du hättest es mir erzählen sollen, Sebastian.« In dem Raum klang seine Stimme laut. »Du hättest es mir gleich zu Beginn sagen sollen. Wir hätten dann alles anders gemacht.«
    Sebastian lächelte und setzte sich gegenüber von Daniel wieder hin. Er war ein Bild der Unschuld: nichts als Wimpern und Sommersprossen und sauber gescheiteltes Haar. »Ich dachte, Sie würden mich nicht mehr mögen, wenn ich es Ihnen erzähle. Ich wollte, dass Sie mich mögen.«
    »Es geht hier nicht um mögen , Sebastian. Ich habe dir am Anfang gesagt, du müsstest mir alles erzählen, die Wahrheit, schlicht und einfach. Ich bin dein Anwalt … Du hättest es mir erzählen müssen.«
    »Na ja, nun wissen Sie’s«, sagte Sebastian. Er neigte den Kopf zur Seite.
    Daniel war übel, hatte eiskalten Schweiß auf dem Rücken. Er presste die Zunge gegen den Gaumen, um sich zu beherrschen.
    »Ich muss jetzt gehen«, sagte Daniel. »Lass uns … deine Eltern suchen.« Der Junge blickte zu ihm auf, und Daniel holte tief Luft. Er wusste nicht, was er zu dem Kind sagen sollte.
    Draußen war Charlotte wieder auf den Beinen, wankend wie eine Sonnenblume, eine große schwarze Sonnenbrille im Gesicht. Ken hielt sie am Ellbogen fest.
    »Danke, Dan«, sagte Kenneth, als Daniel den Jungen in ihre Obhut zurückgab. Daniel zuckte über Crolls deplatzierte Lockerheit zusammen.
    »Alles in Ordnung, junger Mann?«, dröhnte Kenneth seinen Sohn an.
    Sebastian glitt zwischen seine Eltern und ergriff ihre Hände. Dieser Anblick der Familie verursachte Daniel Übelkeit. Er hätte am liebsten weggeguckt.
    Aber dann waren sie gegangen, ein Sinnbild der Eintracht, und durch die Türen von Old Bailey verschwunden, während Sebastian über seine Schulter Daniel ansah, als er sanft nach draußen gezogen wurde.
    Daniel öffnete den obersten Knopf seines Hemds, nahm die Krawatte ab und steckte sie in die Tasche. Seine Beine fühlten sich wackelig an. Er fühlte sich wie damals, als er das letzte Mal von Minnie weggegangen war. Es war nicht das erste Mal, dass ein Mandant ihn belogen hatte. Daniel verstand nicht, warum er sich dieses Mal so nackt und bloß fühlte.
    Er stand in der prunkvollen Halle des Zentralen Strafgerichtshofs und blickte sich um. Seine Niederlage war in eine seltsame Erleichterung gehüllt. So oder so war jetzt alles vorbei.
    Daniel begab sich hinaus in den Schwarm der Journalisten. Es war kalt und drohte zu regnen, aber er spürte die Hitze der Kamerablitze. Sie blendeten ihn, und er konnte nicht die Gesichter sehen, die ihn anredeten, nur die Mikrofone mit ihren Schaumgummihüllen, die ihm entgegengestreckt wurden.
    »Wir sind zufrieden mit dem Ausgang des Prozesses. Mein Mandant und seine Familie freuen sich auf die Rückkehr ins normale Familienleben. In dieser schweren Zeit sind unsere Gedanken bei der Familie des Opfers.«
    Daniel drängte sich durch die Menge, als einer der Journalisten schrie: »Wie fühlten Sie sich, als Sie siegten? Waren Sie überrascht?«
    Daniel drehte sich um und sah den Mann an, der ihn angesprochen hatte; er wusste, dass er jetzt zu dicht an der Kamera stand. Die ihm deutlich ins Gesicht geschriebene Gefühlsregung würde später in Nachrichtensendungen ausgestrahlt und kommentiert werden: »Niemand hat heute gesiegt. Ein kleiner Junge hat sein Leben verloren, aber wir sind dankbar, dass meinem Mandanten Gerechtigkeit widerfahren ist.«
    Es gab noch mehr Fragen, aber da kamen
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