Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schuldige: Roman (German Edition)

Der Schuldige: Roman (German Edition)

Titel: Der Schuldige: Roman (German Edition)
Autoren: Lisa Ballantyne
Vom Netzwerk:
beruhige dich«, zischte Kenneth.
    Daniel streckte die Hand nach ihr aus, aber es war zu spät, Charlottes Knie gaben nach, sie fiel und ließ ihre Handtasche los. Die Pillen, nach denen sie gesucht hatte, rollten heraus. Sebastian hielt sie seinem Vater hin.
    »Hier«, sagte der Junge.
    Kenneths Gesicht war fast lila, und Daniel war sich nicht sicher, ob es Verlegenheit war oder die Anstrengung, als er Charlotte auf die Füße half.
    Ein Wachschutzmann kam und fragte, ob sie Hilfe brauchten.
    »Nein, alles in Ordnung«, dröhnte Croll. Er drehte sich zu Daniel um. »Dürfte ich Sie bitten, einen Augenblick bei Seb zu bleiben? Ich muss sie beruhigen, bevor wir nach draußen gehen.«
    Daniel nickte und sah den beiden hinterher. Sebastian blickte zu ihm hoch, die Hände an den Seiten, das Kinn schräg geneigt, sodass sein ganzes rundes Gesicht Daniel zugewandt war.
    »Wir sind in dem Konferenzraum dort«, rief Daniel Croll hinterher.
    »Geben Sie uns zwanzig Minuten.«
    Daniel sah auf seine Uhr. Der Junge starrte ihn noch immer an.
    »Sie hat eine Panikattacke. Dann kann sie nicht atmen, ihr Gesicht wird ganz weiß, und sie fängt an, so zu atmen …« Sebastian ahmte Hyperventilieren nach, bis ihm Daniel eine Hand auf die Schulter legte. Rot im Gesicht hustete der Junge bereits.
    »Komm mit«, sagte Daniel, öffnete die Tür zu einem der Konferenzräume und grüßte den in der Nähe stehenden Wachschutzmann. »Wir gehen hier rein und setzen uns einen Moment hin, bis es deiner Mum besser geht.«
    Er machte die Tür hinter ihnen zu, die sie in den schallisolierten Raum einschloss. Es gab keine Fenster. Daniel fühlte sich an den Ort erinnert, wo Minnie verbrannt worden war. Die Geräusche von Old Bailey – die Schritte auf den Steinplatten, Anwälte, die in Handys übereinander herzogen, Verteidiger, die mit Mandanten flüsterten –, sie alle waren ausgeschlossen.
    Es herrschte eine warme, anregende Stille. Die Augen des Jungen waren trocken, und sein bleiches Gesicht war nachdenklich. Es erinnerte Daniel an das erste Mal, als sie sich im Polizeirevier in Islington begegnet waren.
    »Glauben Sie, dass die meisten Leute traurig sind, weil ich nicht schuldig gesprochen worden bin?«, fragte Sebastian und sah Daniel an.
    »Es ist doch egal, was andere Leute denken. Du hattest eine gute Verteidigung, und die Geschworenen haben dich nicht schuldig gesprochen. Du kannst jetzt in dein Leben zurückkehren.«
    Sebastian stand auf und ging um den Tisch zu Daniel. Er blieb neben Daniels Stuhl stehen.
    »Ich wollte nicht ins Parklands House zurück.«
    »Nein«, sagte Daniel. Er lehnte sich auf seinen Ellbogen vor, sodass sein Gesicht auf gleicher Höhe mit dem des Jungen war. »Ich wollte auch nicht, dass du dahin zurückmusstest.«
    Der kleine Junge seufzte und lehnte sich dann an Daniel. Er legte Daniel seinen Kopf auf die Schulter. Daniel hatte oft genug gesehen, wie er von seiner Mutter getröstet wurde, und wusste, was er tun musste. Nach kurzem Zögern hob er seine Hand und fuhr dem Jungen mit seinen Fingern durchs Haar.
    »Ist ja okay», flüsterte Daniel. »Nun ist alles vorbei.«
    »Denken Sie, ich komme in die Hölle?«
    »Nein, Seb.«
    »Woher wissen Sie das?«
    »Weil es die Hölle nicht gibt. Jedenfalls glaube ich nicht daran.«
    »Aber Sie wissen es nicht wirklich. Niemand weiß es wirklich . Glauben heißt, man denkt einfach, dass etwas so ist.«
    »Tja, nenn mich halsstarrig, aber ich denke, dass ich es weiß. Das alles hört sich für mich nach Quatsch an.«
    »Kommt Ben in den Himmel? Alle sagen, er ist ein Engel.«
    »Seb, hör zu, ich weiß, das Ganze war wirklich hart für dich – der Fall war im Fernsehen und in den Zeitungen, und alle anderen Jugendlichen im Parklands House haben über dich geredet, aber du musst versuchen, all den Zeitungen und so weiter keine Beachtung zu schenken. Sie tun das nur, um Zeitungen zu verkaufen, nicht, weil da ein Funken Wahrheit …«
    »Wahrheit«, sagte Sebastian ruhig. »Mögen Sie mich, Mr. Hunter?«
    »Ja«, sagte Daniel und atmete aus.
    »Wenn ich Ihnen etwas erzähle, werden Sie mich dann immer noch mögen?«
    Daniel überlegte, dann nickte er.
    »Ich habe Ben den Backstein aufs Gesicht getan.«
    Daniel hielt den Atem an und betrachtete den kleinen Jungen. Das Licht verfing sich in seinen grünen Augen. Er hatte ein fast nicht wahrnehmbares Lächeln auf den Lippen.
    »Du hast mir erzählt, du wärst einfach nach Hause gegangen …«
    »Es ist okay«, sagte Sebastian
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher