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Der Schoepfer

Der Schoepfer

Titel: Der Schoepfer
Autoren: Dean Koontz
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sich nur deshalb als der Zwillingsbruder des derzeitigen Bürgermeisters aus, weil diese Behauptung sein Opfer vorübergehend verwirren und entwaffnen würde.
    Während er mit ihm sprach, breitete er die Arme aus, als wollte er seinen lange verlorenen Bruder an sich drücken. Dann packte er den Bürgermeister, rammte ihm bösartig ein Knie in die Weichteile und stieß ihn in die Ecke neben den beiden Öfen mit den ungenau eingestellten Uhren.
    Unter seiner Jacke zog er etwas heraus, was wie eine Pistole aussah. Er presste die Mündung an die linke Schläfe des Bürgermeisters und betätigte den Abzug.
    Anstelle einer Kugel feuerte die Waffe eine Nadel ab, die den Schädel durchbohrte und bis zu einer bestimmten Tiefe ins Gehirn eindrang.
    Augenblicklich hörte der Bürgermeister auf, sich wegen seiner zerquetschten Hoden zusammenzukrümmen, und er hörte auf, nach Luft zu schnappen. Seine Augen waren so weit aufgerissen wie die eines Kindes, das maßlos verwundert ist.
    Da die Nadel das Gewebe, das sie durchstach, verätzte, blutete das Opfer nicht.
    Wie ein Nagel hatte auch die Nadel einen Kopf. Er war nicht flach, sondern abgerundet und ähnelte einem dekorativen Polsterknopf.
    Er sah aus wie ein silberner Käfer, der sich an die Schläfe des Bürgermeisters klammerte. Die Nadel war eine Sonde, und in ihrem Kopf waren Unmengen von Elektronik enthalten, verzwickte Nanoschaltkreise.
    Der Eindringling führte den fügsamen Bürgermeister zum Küchentisch, zog einen Stuhl hervor und sagte: »Sitz.«
    Als sich der Bürgermeister auf den Stuhl setzte und die Hände mit den Handflächen nach oben auf seinen Schoß legte, ging der Eindringling zur Hintertür und öffnete sie.
    Die Frau und das Mädchen kamen von der Veranda ins Haus. Nancy Potter war vierundvierzig, attraktiv und hatte struppiges blondes Haar. Ariel, die Tochter, war vierzehn. Tatsächlich handelte es sich jedoch um Replikanten der echten Nancy und der echten Ariel: gezüchtet, programmiert und neun Tage zuvor ausgeworfen.
    Nancy schloss leise die Hintertür. Ariel ließ ihren Blick durch die Küche schweifen und starrte dann die Decke an. Auch Nancy konzentrierte sich auf die Decke, und dann tauschten sie und Ariel einen Blick.
    Während der Replikant von Erskine Potter zusah, verließen die Frau und das Mädchen leise die Küche und liefen durch die Diele zur Treppe. Ihm gefielen ihre Art, sich zu bewegen, ihre Anmut, ihre Schnelligkeit und ihre enorme Effizienz. Die beiden waren ganz nach seinem Geschmack.
    Er setzte sich dem echten Erskine Potter am Tisch gegenüber, richtete die Pistole, die damit ihre Aufgabe erfüllt haben würde, auf ihn und betätigte den Abzug. Der zweite »Schuss« war ein telemetrischer Befehl, der die in der Nadel enthaltene Elektronik einschaltete und die Datenübertragung auf ein Verarbeitungs- und Speichermodul im Gehirn des Replikanten in Gang setzte.
    Der Eindringling nahm die Küche um sich herum zwar immer noch wahr, doch gleichzeitig rasten Bilder durch seinen Kopf, die aus den grauen Zellen des Bürgermeisters stammten, Ströme von Bildern, die meisten miteinander verbunden und seriell. Daneben aber auch zusammenhangslose Eindrücke, Momente eines Lebens.
    Mit den Bildern gingen Daten einher: Namen, Orte, Erlebnisse, Dialogfetzen, Befürchtungen und Hoffnungen. Er nahm einen Download der Erinnerungen des Bürgermeisters mit all den Verzerrungen und Brüchen vor, die Teil dieser Erinnerungen waren.
    Am Ende dieser Sitzung würde der Eindringling in der Lage sein, selbst bei den engsten Freunden des Bürgermeisters als der echte Erskine Potter durchzugehen. Er würde jeden in Potters Leben wiedererkennen und bezüglich jeder Person auf einen reichen Erinnerungsschatz zurückgreifen können.
    Der Download nahm neunzig Minuten in Anspruch und hinterließ bei ihm das Bedürfnis, pinkeln zu gehen. Er wusste nicht, wieso das der Fall sein sollte, aber es war so dringend, dass er es kaum bis zur Gästetoilette neben der Haustür schaffte, ohne sich in die Hose zu machen.
    Als der neue – und enorm erleichterte – Bürgermeister in die Küche zurückkehrte, saß der frühere Bürgermeister natürlich noch am Tisch, hatte die Hände mit den Handflächen nach oben auf dem Schoß liegen, wirkte verblüfft und rührte sich nicht, wenn man davon absah, dass seine Lippen ständig Wörter zu bilden schienen, die er nicht aussprach.
    Der neue Bürgermeister spülte das Geschirr, das im Spülbecken stand, und räumte es weg. Er
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