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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter
Autoren: John Brunner
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Tausender war garantiert, und der Besuch ließ mit der Geschwindigkeit nach, wie sich die Neuartigkeit seiner Kirche verschliß. Heute waren nur rund siebenhundert Menschen gekommen; es hatte nicht einmal einen Stau gegeben, als sie zurück auf den Highway fuhren.
    Zudem hatte die Kollekte heute zum erstenmal seit der Gründung der Kirche vor neun Monaten mehr Währungs-Scrips eingebracht als Bargeld. Zwar befand sich Bargeld nicht länger besonders stark im Umlauf - jedenfalls nicht auf diesem Erdteil -, außer in den Pauschalzonen, deren Einwohner von der Bundesregierung dafür Gelder bekamen, daß sie auf die kostspieligen Kinkerlitzchen des 21. Jahrhunderts verzichteten, doch wählte man eine Verbindung zu den Computern der Bundeskreditanstalten an einem Sonntag, ihrem regulären Ruhetag, bedeutete das einen hohen Gebührenzuschlag, und solche Scherze überstiegen die Mittel der meisten Kirchen, seine nicht ausgenommen. So dachte die Mehrzahl der Kirchgänger im allgemeinen daran, sich Münzen, Geldscheine oder eines der kleinen Scrip-Formularhefte, die jedes Mitglied beim Eintritt in die Glaubensgemeinschaft erhielt, in die Tasche zu stecken.
    Der Verdruß mit all diesen Scrips war jedoch - wie er aus traurigen Erfahrungen wußte -, daß mindestens die Hälfte davon, wenn er sie morgen seiner Bank eingereicht hatte, mit dem Vermerk UNGEDECKT zurückkommen würde - und je höher der Betrag der Spende, um so höher auch die diesbezügliche Wahrscheinlichkeit. Einige dieser Fetzen stammten von Leuten, die bereits so hoch und aussichtslos verschuldet waren, daß ihnen die Computer alle Ausgaben für Lebensunwichtiges gestrichen hatten; jede neue Kirche lockte unweigerlich zahlreiche Schockgeschädigte an. Aber ein paar Leute ließen die eingegangene Verpflichtung infolge eines Familienkrachs über Nacht wieder aufheben: >Wieviel hast du gespendet? Mein Gott, was habe ich nur getan, daß ich so einen Kropf wie dich verdiene?! Augenblicklich läßt du den Lappen sperren!
    Manche Gläubige allerdings waren aus Unwissenheit großzügig gewesen. Er hatte einen Stapel von mehr als fünfzig Kupferdollars vorliegen, für die jede Elektronik-Firma gut dreihundert zahlte, denn das Asteroidenerz war arm an hochleitfähigen Metallen. Es war verboten, Münzen aus gültiger Währung als Schrott zu verkaufen, aber jeder tat es, und alle stellten sich so, als hätten sie auf dem Speicher einer günstig erworbenen Bruchbude alte Kochtöpfe oder beim Umgraben des Gemüsegartens stillgelegte Kabel gefunden.
    Zur Zeit stand bei der Staatlichen Delphi-Börse ganz hoch die Voraussage im Kurs, die nächste Dollarmünze werde aus Plastik bestehen und eine Laufzeit von ein bis zwei Jahren haben. Na, und plus ga Kleingeld, plus c'est verfallsträchtig…
    Er schob die Münzen in sein Schmelzöfchen, ohne sie zu zählen, weil nur das letztliche Gewicht des Schmelzproduktes eine Rolle spielte, dann widmete er sich der anderen Aufgabe, die er pflichtgemäß noch erledigen mußte, ehe er für heute Feierabend machen konnte: Analyse der Delphi-Formulare, die seine Gemeinde ausgefüllt hatte. Es waren viel weniger als im April; seinerzeit hatte er mit vierzehn- bis fünfzehnhundert rechnen dürfen, wogegen der Input in dieser Woche kaum die Hälfte betrug. Selbst diese siebenhundert und noch ein paar Meinungen waren allerdings eine weitaus breitere Reaktion, als die meisten Individuen heutzutage zu erlangen hoffen konnten, zumal wenn sie im Schraubstock akuter Depressionen oder in irgendeiner anderen Lebensstil-Krise staken.
    Nach der Definition litten alle Mitglieder seiner Gemeinde unter Lebensstil-Krisen.
    Die Formulare enthielten eine Reihe kurzgefaßter Problemstellungen von gängiger persönlicher Natur, jeweils gefolgt von einem leeren Feld, worin jedes Mitglied der Kirche, das seine Beiträge gezahlt hatte, einen Lösungsvorschlag eintragen konnte. Diesmal waren es insgesamt neun Punkte, ein beklagenswerter Kontrast zu jener Blütezeit im Frühling, als er die Rückseite des Formulars ebenfalls benutzte. Nun mußte die Mundpropaganda schon auf dem laufenden sein: »Letzte Woche gab's nur neun Fragen zu delphen, da gehen wir am nächsten Sonntag doch lieber zu.«
    Was ist das Gegenteil eines Schneeballs! - Ein Tauball?
    Obwohl seine ursprünglich großen Hoffnungen enttäuscht worden waren, stand sein Entschluß fest, alle erforderlichen Maßnahmen korrekt abzuwickeln. Sich selber war er das schuldig, auch jenen, die regelmäßig seine
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