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Adama: Teil 1 (German Edition)

Adama: Teil 1 (German Edition)

Titel: Adama: Teil 1 (German Edition)
Autoren: Laurent Bach
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Adama
     
     
    „He, Adama, leg doch endlich das Buch weg und kümmere dich um deine
    Kundschaft!“
    Auf Modibos gereizten Ruf schaute Adama auf und sprang augenblicklich vom
    Bürgersteig auf. Eine Menschentraube hatte sich vor seinem Tuch aus schwarzem
    Samt angesammelt, auf der kleine Eiffeltürme ordentlich aufgereiht in der Sonne
    blinkten. Modibo hatte gerade alle Hände voll zu tun, seinen eigenen Kram zu
    verkaufen, denn eine Reisegruppe war bis zu ihnen vorgestoßen.
    „Tut mir leid.“
    „Scheiß drauf! Diese Gruppe ist geil auf unsere Sachen und wenn du deinen
    Mietanteil zahlen willst, dann verkaufe jetzt!“
    Gehorsam lächelte Adama einem Trupp älterer Damen zu, die mit geschulten Augen
    seine Auslage auf dem Boden betrachteten. Er verkniff sich ein Seufzen. Diese
    Kundschaft wusste genau, was sie wollte. Das Mitbringsel durfte nicht zu teuer sein
    und musste trotzdem nach etwas aussehen. Wie erwartet, waren die Touristinnen
    zögerlich, verglichen, prüften, tuschelten und zeigten mit den Fingern auf die Türme
    in verschiedenen Farben und Größen. Adama überlegte, ob er auf die Feilscherei
    eingehen sollte, doch er blieb hart. Das schäbige Zimmer, das er sich mit Modibo
    teilte, kostete immerhin fünfhundert Euro pro Monat. Obwohl sie sich das Bad mit
    zwanzig anderen Mietern teilen mussten. Dafür war der Vermieter nicht neugierig, ein
    Vorteil, der manchmal nicht mit barer Münze zu bezahlen war.
    Die hellen Mauern von Sacre Coeur, die in wuchtiger Anmut nur wenige Meter
    von ihnen entfernt aufragten, strahlten in der heißen Augustsonne. Die bronzene
    Jeanne d’Arc auf dem Vorbau reckte sich stolz im Sattel ihres Pferdes. Auf dem
    Montmartre wehte ein laues Lüftchen, während die Hitze über dem restlichen Paris
    hing wie eine Glocke. Hinter sich hörte Adama das Rauschen der Bäume, die er
    immer noch nicht auseinander halten konnte. Seit acht Wochen wohnte er in einem
    der Wohnsilos in der Banlieu und dort überlebten nur kümmerliche Buschreihen, fast
    so wie in Mali, seiner Heimat. Das Schnattern der Kundinnen verstummte allmählich,
    drei Türme hatte er verkaufen können. Er steckte das Geld in seinen Lederbeutel
    und setze sich darauf, bevor er mit einem zufriedenen Ausdruck das Buch wieder zur
    Hand nahm.
    „Adama“, stöhnte sein Freund und schlug ihm auf den Rücken. „Du wirst es nie zu
    einem Geschäftsmann bringen.“
    „Das will ich auch nicht“, gab er ungerührt zurück. „Ist doch scheiße, ständig die
    Angst vor den Bullen.“
    „Hör doch auf, Adama. Was willst du denn machen? Sei froh, dass Abdul eingewilligt
    hat, dir einen Platz hier zu geben.“
    Adama nickte und ließ die Schultern sacken. Die begehrten Verkaufsplätze waren
    hart umkämpft und der Aufenthalt streng unter den illegalen Verkäufern aus aller
    Welt geregelt. Sie selbst durften bis achtzehn Uhr hier bleiben, danach übernahmen
    die Pakistani die Herrschaft und verkauften dezent und unaufdringlich Dosenbier an
    die abendlichen Bummler, die auf den Stufen der Treppe die Aussicht auf das
    strahlende Paris genossen. Die Polizei wusste von ihrem Treiben, so hatte Modibo
    es erzählt. Auch, dass hin und wieder Razzien stattfanden, die zur unvermeidlichen
    Abschiebung führten. So eine Razzia machte sich gut in den Medien und bei den
    Touristenverbänden, doch Adama war sicher, dass auch die Polizisten ihren Anteil
    am Verkaufserlös einsackten und dafür ein Auge zudrückten.
    „Da kommt Jean Luc.“ Modibo wies mit der Hand auf einen Mann in Jeans und einem
    sportlichen Oberhemd, dessen obere Knöpfe offen waren. Adama verengte seine
    Augen zu Schlitzen. Der Gang des Mannes war selbstsicher, sein Gesicht mit dem
    Bartschatten war markant.
    „Wer ist das?“
    „Ein neuer Bulle. Mach dir keine Sorgen“, beruhigte Modibo und grinste den Fremden
    an, dessen Haare einer kurz geschorenen Bürste glichen. Adama musterte ihn und
    erhaschte, als er vor ihnen stand, einen Blick auf die braungebrannte Haut im
    Ausschnitt seines Hemdes. Er leckte sich über die Lippen, als er die überraschenden
    Grübchen auf seinen Wangen erblickte, die seinem Ausdruck die Härte nahm. Seine
    Augen glitten wie von selbst weiter: dezente Brustmuskulatur formte sich unter dem
    Stoff und als er auf den Hintern des Mannes zu schauen wagte, präsentierte der sich
    fest und stramm. Adama sah schnell zu Boden und zählte zur Beruhigung seines
    Herzschlags die Eiffeltürme zu seinen Füßen.
    „Salut, Jean-Luc, was geht?“
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