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Adama: Teil 1 (German Edition)

Adama: Teil 1 (German Edition)

Titel: Adama: Teil 1 (German Edition)
Autoren: Laurent Bach
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riss seinen Mund auf, eine Gänsehaut perlte über seinen Rücken. Dieser
    hübsche Scheiß-Kerl hatte seine Drohung tatsächlich wahr gemacht.
    „Hat jemand etwas gesehen?“
    Was sollte er tun, wenn das Schlimmste wirklich eingetreten war? Nackt und hilflos
    fühlte er sich, ausgesetzt in der Fremde.
    „Ich habe einen Informanten, aber ich weiß nicht, woher er das erfahren hat.“ Abdul
    knetete erneut seine Finger.
    „Was passiert jetzt mit Modibo?“
    Der Tunesier schien ratlos zu sein. „Keine Ahnung. Wenn die Bullen ihn tatsächlich
    haben, wird er vielleicht abgeschoben.“
    Adama unterdrückte das Zittern seiner Hände.
    „Los, pack vorsichtshalber deinen Kram ein und mach, dass du bei einem anderen
    Kumpel unterkommst. Ich gebe dir irgendwie Bescheid.“
    „Danke für die Warnung“, sagte Adama fast tonlos. Als Abdul gegangen war, faltete
    er seinen Jutesack auf, den er heute zum Transport seiner Ware benutzt hatte. Wirre
    Gedanken flogen durch seinen Kopf. Mit Jean Luc war nicht zu spaßen. Er zweifelte
    nicht einen Moment lang, dass dieser seine Hände im Spiel hatte. Was hatte der Kerl
    nun vor? War er selbst als nächstes dran? Zurück nach Mali. Zurück in die karge
    Steppe, in der Banden von Tuaregs sich mit Islamisten zusammengetan hatten, um
    Angst und Schrecken zu verbreiten. Sollte er vergebens vor dem beginnenden
    Bürgerkrieg geflohen sein? Was sollte er dort, bei den zerstörten Heiligtümern und
    verstörten Dorfbewohnern? Er konnte ohnehin nicht wieder seiner gewohnten Arbeit
    als Lehrer nachgehen. Fieberhaft suchte er nach einer Lösung, nach einer
    Möglichkeit, sich einen Vorteil zu verschaffen in dieser vertrackten Situation. Turm
    auf Turm verschwand im Sack, doch immer langsamer, immer zögerlicher packte
    Adama ein. Wie lange noch sollte er ein Spielball fremder Menschen sein? Als die
    Hälfte seiner Ware bereits verpackt war, schaute er auf. Was nützte es Modibo, wenn
    er jetzt das Weite suchte? Und immer wieder die Frage: was wollte Jean Luc
    eigentlich? Machtspielchen treiben? Geld und Sex? Wie weit konnte Adama gehen,
    um ihn hinzuhalten? Was wäre, wenn ...
    Da öffnete er den Sack, langte hinein und holte seine Türme wieder heraus. Sein
    Atem ging schnell und seine Unruhe stieg, als wittere er Morgenluft. Er stellte seine
    Ware auf, richtete seinen Verkauf wieder ein, den Kopf trotzig erhoben. Als hätte er
    nie etwas anderes getan, spähte er nach Kundschaft aus und lächelte verbindlich,
    wenn das Geld seinen Besitzer wechselte. Es war kurz nach Mittag, als der Schatten
    Jean Lucs auf ihn fiel. Der Polizist trug ein gut geschnittenes Shirt, seine Haut schien
    eine noch intensivere Bräune angenommen zu haben als gestern. Adama gefiel
    außerordentlich, was er vor sich sah, doch er riss sich zusammen. Jetzt ging es um
    Modibo.
    „Du hast es gehört?“
    „Ja“, sagte Adama und lächelte einer Familie zu, die gerade passierte.
    „Und?“ Jean Luc rieb seine Fingerspitzen aneinander, sein Blick war scharf wie das
    Schlachtmesser seines Vaters.
    „Du entschuldigst bitte.“ Adama schob ihn ungerührt zur Seite, damit ein kleines
    Mädchen sich besser zu den Souvenirs bücken konnte. Sie suchte sich einen rot
    lackierten Turm aus und streckte ihm mit einem schelmischen Lächeln ihre Hand
    entgegen. Adama pflückte vier Euro-Münzen von ihrer klebrigen Haut. Er gab das
    Lächeln zurück. Er lächelte lange und ausgiebig, er wusste genau, wie er mit einem
    Lächeln im Gesicht aussah. Als er plötzlich seinen Kopf zu Jean Luc drehte,
    gewahrte er noch den verlangenden Blick, der jedoch sofort wieder hinter einem
    reglosen Bullengesicht verschwand. Adama verkniff sich ein Grinsen und fragte,
    während er die Lücke in seiner Turmreihe auffüllte:
    „Wo ist Modibo? Auf der Wache?“
    „Und wenn?“
    „Nichts!“ Adama erhob sich.
    „Und wenn ich dich auch noch festnehme? Dann könnt ihr im gleichen Flieger
    heimkehren.“ Jean Lucs Gesicht wirkte bedrohlich.
    „Dann wird hier morgen sicher ein anderer stehen, den du vögeln kannst“, gab
    Adama zurück.
    Jean Lucs Kieferknochen bewegten sich, doch er schwieg und lehnte sich an den
    Drahtzaun, der einen kleinen Park vom Kirchplatz abgrenzte. Sie verstummten. Jean
    Luc beobachtete das bunte Treiben. Adama saß auf dem Bordstein und las in
    seinem Buch, immer noch bemüht, gleichmütig zu wirken. Dann hob er den Kopf, um
    die Touristenströme zu begutachten, doch die meisten von ihnen richteten ihre
    Aufmerksamkeit auf
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