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Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter
Autoren: John Brunner
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Hartz betrachtete die Aussicht voller Bewunderung, während er in der Schlange im besten der zwanzig Restaurants dieser Einrichtung wartete, das starke Anklänge von altmodischem Luxus aufwies, bis hin zu (und einschließlich) warm und offen ausgestellten Speisen. »Herrlich«, sagte er nach einem Weilchen. »Einfach herrlich.«
    »Hm?« Freeman hatte soeben an den Schläfen seine Haut in die Richtung des Hinterkopfs gedrückt, als versuche er sich auf diese Weise eine überstarke Müdigkeit aus dem Schädel zu pressen. Nun lenkte er seinen Blick hinüber zum Fenster und pflichtete Hartz bei. »Oh. ja, durchaus, glaube ich. Gegenwärtig fehlt mir leider die Zeit, um dafür die Aufmerksamkeit abzuzweigen.«
    »Sie wirken übermüdet«, sagte Hartz voller Mitgefühl. »Und das wundert mich gar nicht. Man hat Ihnen eine schwere Arbeit zugeteilt.«
    »Und eine langwierige. Täglich neun Stunden in Abschnitten von je drei Stunden. Man wird's allmählich satt.«
    »Aber es muß getan werden.«
    »Ja, getan werden muß es.«
Kleine Delphilogie
    Man geht ungefähr folgendermaßen vor. Zuerst sucht man eine große Anzahl von Leuten heraus - wenn es sich einrichten läßt, eine sehr große Zahl -, Leute, die zwar nie etwas Gescheites über das Thema gelernt haben, über das man sie befragen will, so daß die Wahrscheinlichkeit einer vernünftigen Antwort gering ist, die jedoch ausnahmslos in der Kultur verwurzelt sind, auf die sich die Frage bezieht.
    Dann bittet man sie, wie's einem gerade so einfallen mag, zu schätzen, wie viele Menschen während der großen GrippeEpidemie nach dem I. Weltkrieg starben, oder wie viele Brotlaibe im Juni 1970 von Inspektoren der Lebensmittelhändler als zum Verzehr ungeeignet befunden worden sind.
    Sonderbarerweise ergibt die Auswertung ihrer Antworten, daß deren Mehrzahl sich um die tatsächliche Zahl bewegt, wie sie in Almanachs, Jahrbüchern und Statistiken verzeichnet steht.
    Das sieht aus, als ließe sich folgendes Paradoxon aufstellen:
    Zwar weiß niemand, was hier los ist, aber was hier los ist, weiß jeder.
    Nun, und wenn sich das hinsichtlich der Vergangenheit bewährt, warum sollte es nicht auch bezüglich der Zukunft möglich sein? Dreihundert Millionen Menschen mit Zugang zum integrierten nordamerikanischen Daten-System sind eine ganz schön große Menge von potentiellen Beratern.
    Unglücklicherweise fürchten sich die meisten davon bis zum Hosenpissen vor dem gräßlichen Gespenst namens Zukunft. Wie bringt man Leute, die ganz einfach nichts davon wissen wollen, zum Mitmachen?
    Bei manchen wirkt die eigene Gier, bei anderen ihre Hoffnung. Und die Mehrheit des Rests wird überhaupt keinen Einfluß auf die künftige Welt haben, soweit sie von Bedeutung ist.
    Bloß gut, kann man sagen, für die Schlagerindustrie.
Anlaß für einen Mühlstein
    Drauf und dran, die sicher verschlossene Tür des Wohnwagens zu öffnen und die Alarmanlage abzuschalten, zögerte er plötzlich. Sonntag. Eine einigermaßen einträgliche Kollekte, wenn auch nicht unbedingt ein neuer Rekord. (Er schnupperte. Warme Luft. Aus dem Schmelzöfchen.) Und sie konnte eine vorzeitig ausgereifte Schauspielerin sein. Er stellte sich einen Rottenüberfall vor, schnelle Plünderung, ehe die Hachos aufkreuzten, und zurück blieb nur eine Minderjährige, fürs polizeiliche Verhör wertlos, ein bißchen angetörnt, vor Lachen über den Erfolg ihres >Schabernacks< schier hysterisch. Aufgrund dieser Überlegungen schaltete er sämtliche elektronischen Apparaturen der Kirche an, ehe er die Alarmanlage stillegte, ausgenommen der Coley-Anlage und die automatischen Kollektorwagen. Als er den Sockel des Altars überquerte - der einstigen Projektionsfläche -, schien es, als brause ein Feuer durch den Bauch des Wals, den seine Kuppel darstellte.
    Lichter in allen Regenbogenfarben und obendrein ohne Verlust der Zwischentönungen leuchteten auf, während eine 3d-Automatikkamera über seinem Kopf sein Bild nicht nur in ungeheurer Vergrößerung auf die Vorderseite des Altars warf, sondern die Aufnahmen auch in einem Video-Rekorder speicherte, der unter einem Meter Beton eingebunkert lag. Wenn man ihn überfiel, konnte die Aufzeichnung als Beweis dienen. Außerdem hatte er ein Schießeisen dabei. aber das legte er sowieso nie ab.
    Diese Vorsichtsmaßnahmen, wie unzureichend sie auch sein mochten, waren das Maximum dessen, was man bei einem Priester noch einsah. Mehr hätte die behördlichen Computer leicht dazu gebracht, ihn als
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