Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Schockwellenreiter

Der Schockwellenreiter

Titel: Der Schockwellenreiter
Autoren: John Brunner
Vom Netzwerk:
potentiellen Paranoiker einzustufen. In solchen Dingen war man äußerst empfindlich geworden, seit im vergangenen Sommer ein Rabbi, der die Zugänge seiner >Schul< vermint hatte, vor einer Bar Mitzwa den Auslöser abzuschalten vergaß. Im allgemeinen wußten die Behörden Leute mit unerschütterlichen religiösen Überzeugungen zu schätzen. Bei ihnen war die Wahrscheinlichkeit geringer, daß sie irgendwelchen Staub aufwirbelten. Aber es gab Grenzen, gar nicht zu reden von Ausnahmen.
    Vor ein paar Jahren hätten seine Schutzmaßnahmen noch genügt. Heute ließ ihre Mangelhaftigkeit ihn erzittern, während er das von keinen Mauern und Säulen beengte Kirchenschiff hinabschritt, dessen Ausdehnung schwarze Streifen kennzeichneten, im Laufe der Jahrzehnte von Autoreifen hinterlassen. Gewiß, der Zaun rings um die Kuppel war elektrisch geladen, außer am Durchlaß zur Beichtkabine, und die Kabine selbst war bombenfest und besaß für den Fall einer Gasattacke eine separate Sauerstoffversorgung; aber trotz allem…
    Vormerken: Nächstes Mal in eine Rolle schlüpfen, worin ich mehr zum Schutz von Leib und Leben tun kann. Ruhe und Frieden sind eine feine Sache, und als ich hier ankam, hatte ich sie bitter nötig. Aber so eine Einrichtung ist schlichtweg nicht dazu geeignet, von nur einer Person betrieben zu werden. Ich kann nicht jeden flüchtigen Schatten unter Beobachtung stellen, um mich zu vergewissern, daß kein flinker Satansbraten ihn als Deckung benutzt! Und da, wie ich so um mich spähe, fällt mir auf: Augen ohne Hilfsmittel?! Mit sechsundvierzig??? Unter dreihundert Millionen Menschen muß es zwangsläufig ein paar Leutchen dieser Altersstufe geben, die sich noch nie Kontaktlinsen oder eine Brille gekauft haben, vornehmlich solche, die sich so etwas nicht leisten können. Aber einmal angenommen, das Gesundheitsministerium oder irgendein pharma-medizinisches Kombinat gelangt plötzlich zu der Auffassung, es gäbe soviel Personen mittleren Alters ohne Sehhilfe, daß sich eine ausgedehnte Studie lohne? Angenommen, die Kerle im Tarnover bilden sich die Meinung, es müsse dabei ein genetischer Effekt im Spiel sein? Au weh!
    Vormerken (sozusagen rot unterstrichen): Mehr ans chronologische Alter halten!
    An diesem Punkt seiner Erwägungen betrat er die Beichtkabine - und stellte fest, daß er durch die bruchfeste, drei Zentimeter dicke Scheibe nicht das kleine Mädchen im blutbefleckten Kleid sah. Statt dessen war die Außenhälfte der Kabine von einem stämmigen blonden Mann mit einem Streifen von Blau im affig gelockten Haar besetzt, der ein modisches Hemd in Rosa und Karminrot trug und ein Lächeln der Entschuldigung zur Schau stellte. »Verzeihen Sie die Störung, Pater«, sagte er.
    »Allerdings ist es ein glücklicher Umstand, daß die kleine Gaila an Sie geraten ist. Übrigens, mein Name ist Shad Fluckner.«
    Dieser Wichser wirkte noch zu jung, um der Vater des Mädchens zu sein: nicht älter als fünfundzwanzig, sechsundzwanzig. Andererseits kannte er aus seiner Gemeinde Frauen, die mittlerweile zum dritten oder vierten Mal verheiratet waren, und dabei mit Männern, die bis zu zwanzig Jahre jünger waren als sie. Der Stiefvater? Auf jeden Fall, warum dies Lächeln? Weil er das Kind, um das er höchstwahrscheinlich keinen Plastik-Penny gab, mißbraucht hatte, um sich eine reiche, aber schauderhafte ältere Ehefrau vom Hals zu schaffen? In dieser Kabine waren schon üblere Schandtaten gebeichtet worden. »Sie sind also. äh. mit Gaila verwandt?« erkundigte sich Hochwürden Lazarus verunsichert.
    »Nicht rechtmäßig, aber nach alldem, was wir gemeinsam durchgemacht haben, könnte man wohl sagen, ich stehe ihr näher als ihre echten Verwandten. Ich arbeite für die AntiTrauma GmbH, müssen Sie wissen. In höchst vorausschauender Weise haben Gailas Eltern, sobald sie bei ihr die ersten Anzeichen eines Abweichens vom Durchschnitt bemerkten, sie sofort für eine Vollbehandlung angemeldet. Im vergangenen Jahr haben wir ihre Infantilrivalität behoben - klassischer Fall von Penisneid, gegen ihren jüngeren Bruder gerichtet -, und gegenwärtig entfaltet sie ihren Elektra-Komplex. Mit ein bißchen Glück können wir sie bis zum Herbst auf die Popäa-Ebene hocharbeiten. Ach, da fällt mir ein - sie brabbelte etwas, daß Sie die Hachos gerufen hätten. Aber machen Sie sich keine Sorgen. Sie ist in den Polizei-Computern als NonAktiv-Fall registriert.«
    »Sie erzählte mir…« - langsam und mit Mühe - »… ihre Mutter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher