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Der Schmetterlingsthron

Der Schmetterlingsthron

Titel: Der Schmetterlingsthron
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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erreichten, ließ sich Karadur, der noch einen Zauberspruch aufgesagt hatte, unauffällig über den Rand des Gerüsts gleiten. Jorian erhaschte nur einen kurzen Blick auf den Zauberer; er sah jedoch, dass sich Karadurs Aussehen veränderte, als er den Boden erreichte; er ähnelte nun einem Mitglied der niederen xylarischen Priesterschaft, ein unscheinbarer Mann in einer sauberen Robe, der von der Menge verschluckt wurde.
    Wieder hörte Jorian das Sirren einer Bogensehne. Der Pfeil streifte seine Schulter und hinterließ eine blutige Schramme. Die Soldaten hatten nun die Plattform erreicht und betrachteten zweifelnd das untere Ende des Seils. Jorian überlegte nervös, was geschehen würde, wenn sie ihn herabzuziehen versuchten oder ihm nachkletterten.
    Schweiß rann ihm über das Gesicht und über seine behaarte Brust, als er sich die letzten Zentimeter hochzog. Er erreichte die Stelle, wo das Seil undeutlich wurde und verschwand. Als er den Kopf in diese Erscheinung steckte, stellte er fest, dass das Seil unverändert fest blieb, während die Szene unter ihm undeutlich und verschwommen wurde, als blicke er durch zunehmenden Nebel darauf hinab.
    Ein letzter kräftiger Zug, und das Bild unter ihm verschwand. Ringsum befand sich nicht Luft, sondern eine absolut fremdartige Landschaft. Er senkte die Füße hinab und fühlte Erde und Gras unter sich.
    Aber er hatte vorerst keine Zeit, seine neue Umgebung zu erkunden. Karadur hatte ihm eingeschärft, wie wichtig es sei, das Zauberseil wieder an sich zu bringen, dessen oberes Ende noch fast mannshoch aus dem Gras ragte. Jorian umfasste das Seil mit beiden Händen und zog daran. Das Seil fuhr in die Höhe, als stiege es aus einem unsichtbaren Loch im Boden. Doch plötzlich spürte Jorian Widerstand. Offenbar hatte sich ein Soldat an das Seil gehängt. Doch anstatt den schweren Mann hochzuziehen, kam ihm ein besserer Gedanke. Jorian ließ das Seil durch die Hände laufen und den Mann am anderen Ende wieder auf das Gerüst fallen. Er hörte ein leises Krachen und einen Schrei. Sofort zog er das Seil hastig Hand über Hand in die Höhe, bis es im Gras vor ihm lag.
     
    Jorian legte den Unterarm vor die Stirn und setzte sich. Sein Herz pochte heftig von den Anstrengungen der letzten Minuten. Obwohl Jorian ein junger Mann von ungewöhnlicher Größe, Kraft und Gewandtheit war, hegte er keine großen Illusionen über die Chancen eines gefesselten Mannes, aus einer Gruppe Bewaffneter zu entfliehen, trotz Hilfe der Zauberkraft. Nachdem er sich seit Jahren in der Waffenkunde geübt und in zwei echten Schlachten und bei mehreren Scharmützeln auch mitgekämpft hatte, kannte er die Grenzen, die einem Manne gesetzt waren. Außerdem waren Zaubersprüche bekanntermaßen unzuverlässig, und Jorians Flucht erforderte eine perfekte Mischung aus Überraschung und exaktem Zeitplan. Vielleicht hatten ihm Karadurs mulvanische Götter doch geholfen.
    Er sah sich hastig um. Dies ist also die Nachwelt, dachte er, in die unsere Seelen zu neuer Inkarnation entlassen werden. Er stand auf einem Steg offenbar künstlich geglätteten Grases, vielleicht vierzig Fuß breit. Der Steg wurde an beiden Seiten durch zwei Streifen aus einem steinigen Material begrenzt, die ihrerseits etwa zwanzig Fuß Breite hatten.
    Jenseits davon wieder Gras, dahinter baumbestandene Hügel, auf denen Jorian zum Teil Häuser zu erkennen glaubte. Und er fragte sich: Welcher vernünftige Mann kommt auf den Gedanken, zwei so schöne Straßen unmittelbar nebeneinander zu bauen?
    Im nächsten Augenblick erregte ein schnell lauter werdendes Surren seine Aufmerksamkeit. Es erinnerte ihn sehr an das Geräusch eines Armbrustpfeils. Er starrte auf den Quell des Lärms.
    Auf einem der gepflasterten Streifen raste ein Gebilde auf ihn zu. Zuerst hielt er es für ein Ungeheuer aus den Legenden – mit krummem Rücken, zwei grellen, glasigen Augen und einer Reihe gebleckter Zähne dicht über dem Boden.
    Jorians Entrüstung verpuffte; doch als er von der Straße zurückwich und das kleine Messer zog, um sein Leben so teuer wie möglich zu verkaufen, raste das Gebilde vorbei. Es war kein Monstrum, sondern ein Fahrzeug.
    Verwirrt starrte Jorian dem Wagen nach, doch ein erneutes Surren ließ ihn herumfahren. Weitere Fahrzeuge kamen, kleine und große, und verunsicherten ihn noch mehr. In seiner Welt war er ein Mann von ungewöhnlichem Mut; aber selbst der Mutigste verliert seine Sicherheit in absolut fremder Umgebung, in der er die Gefahren
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