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Der Schmetterlingsthron

Der Schmetterlingsthron

Titel: Der Schmetterlingsthron
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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nicht erkennen kann.
    Zwischen den beiden Straßen gefangen, fragte sich Jorian, wie er je weiterkommen sollte, um sich Karadur anzuschließen. Die Fahrbahnen erstreckten sich in beiden Richtungen bis zum Horizont. Nachdem einige weitere Fahrzeuge vorbeigebrummt waren, erkannte Jorian, dass eine Straße nur für den nach Osten fließenden Verkehr und die andere nur für den Verkehr nach Westen bestimmt war und dass die Fahrzeuge die für sie bestimmten Streifen nicht verließen. Also war er im Augenblick sicher. Jorian zwang sich, auf eine der Fahrbahnen zuzugehen. Sie schien aus Gips oder Stuck gemacht zu sein, mit regelmäßigen Querrillen, die pechähnlich aussahen. Er sprang zurück, als ein riesiger Wagen vorbeiraste und ihn mit seinem Fahrwind durchschüttelte.
    Jorian war entsetzt. Er hoffte, er würde nie in dieser Welt neu geboren werden. So ein Wagen konnte ihn wie einen Floh zerquetschen. Welche Ironie – in seiner Welt war er dem Scharfrichter um Haaresbreite entronnen und sollte nun hier überfahren werden!
    Jorian bückte sich, nahm das Seil und begann, es sich um die Hüfte zu winden. Er erinnerte sich an seine Anweisungen: Geh eine Meile nach Südwesten, senk dich wieder in die eigene Welt hinab und warte auf Karadur, wenn der heilige Mann den Treffpunkt nicht bereits erreicht hatte.
    Aber wo lag Südosten? Zum Glück war der Himmel klar wie in Xylar. Die Hinrichtung war zur Mittagsstunde angesetzt worden, und es war wenig Zeit vergangen, seit Jorian seinen Hals auf den Block gelegt hatte. Bald würde die Sonne jedoch als Richtungsweiser ausfallen. Er musste es riskieren, diese Straße zu überqueren!
    Er blickte den Streifen entlang, um sich zu vergewissern, dass keine Fahrzeuge zu sehen waren, und hastete hinüber. Er erreichte den anderen Rand, wo ganz natürlich wirkende Pflanzen wuchsen, brach sich einen langen Grashalm ab, suchte eine kahle Stelle und stellte den Stängel senkrecht auf. Mit der Spitze des Messers zeichnete er dann die Linie nach, die der winzige Schatten zeichnete. Jorian bildete darauf die Senkrechte und halbierte den linken Winkel durch eine weitere Linie, die ihm nun seine Richtung anzeigte.
    Als Jorian seine Wanderung aufnahm, blieb er ab und zu stehen und schnitt kleine Äste ab, etwa einen Meter lang. Den ersten Stock behielt er in der Hand und schnitzte alle hundert Meter eine Kerbe hinein. Die anderen Stöcke stieß er in regelmäßiger Entfernung voneinander in die Erde und starrte daran entlang zurück, so dass er ziemlich genau die Richtung hielt. Alle tausend Schritte überprüfte er seine Richtung anhand der Sonne.
    Als er fünfzig Kerben geschnitten hatte, befand er sich in einem Tal zwischen zwei bewaldeten Hängen. Er blieb stehen, zählte sicherheitshalber noch einmal die Kerben, löste das Seil von der Hüfte und legte es um einen Baumstamm. Dann äußerte er den mulvanischen Zauberspruch, den Karadur ihm beigebracht hatte: »Mansalmu darm rau antarau, nodó naro terakh hiá zor rau …«
    Er spürte, wie seine Füße einsanken, als verwandelte sich der Boden unter ihm in Treibsand. Dann stürzte er hinab. Sich an das doppelte Seil klammernd, hing er nun zwischen der Erde – seiner Erde – und dem klaren blauen Himmel.
    Über ihm verschwanden die beiden Seilstränge im Nebel. Unter sich erkannte er zu seinem Entsetzen das dunkle, stille Wasser des Moru-Sumpfes. Karadur hatte ihm gesagt, sie würden sich nahe dem Sumpf treffen, aber er hatte nicht erwartet, unmittelbar darüber herauszukommen. Weiter nördlich erstreckten sich die Felder und Haine Xylars. Im Süden ragten die Vorberge der mächtigen Lograms auf und dahinter die schneebedeckten Gipfel dieser Bergkette, die die novarischen Stadtstaaten vom tropischen Reich Mulvan trennte.
    Er überlegte, ob er wieder hinaufklettern und einen anderen Baum ausprobieren sollte, entschloss sich jedoch dagegen. Er wusste nicht, wie lange die ›weiche Stelle‹, die sein Zauberspruch zwischen den beiden Existenzebenen geschaffen hatte, halten würde. Es wäre unangenehm, sollte sich die Erde gerade wieder festigen, wenn er hindurchkletterte. Andererseits war er ein guter Schwimmer und fürchtete die Krokodile des Moru-Sumpfes nicht.
    Er rutschte bis zu den Enden des Seils hinab. Hätte er das Seil mit einem gewöhnlichen Knoten am Baum befestigt, wäre es lang genug gewesen, doch er hätte das kostbare Stück anschließend nicht herunterholen können. Deshalb hatte er nur die Mitte des Seils um den Stamm gelegt und
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