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Der Schmetterlingsthron

Der Schmetterlingsthron

Titel: Der Schmetterlingsthron
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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ließ beide Enden gleich lang herunterhängen.
    Das dunkle, übel riechende Wasser lag etwa sechs Meter unter ihm. Ein Rundblick zeigte keine Spur von dem Zauberer. Also los, dachte Jorian und ließ ein Ende des Seils los.
    Mit lautem Klatschen plumpste er in den Sumpf. Das Seil sirrte hinter ihm her, traf in allerlei Schleifen auf dem Wasser auf. Jorian nahm ein Ende zwischen die Zähne und hielt auf das nächste Ufer zu, eine schwimmende Schilfinsel. Jorian hievte sich hinauf, und braunes Wasser strömte von seinen Schultern. Als er sich aufrichtete, bewegte sich das Schilf unter ihm und drohte einzusinken, und er kroch auf allen vieren auf sicheren Grund zu, wo Weiden und schwarze Zypressen ein undurchdringliches Dickicht bildeten. Schließlich spürte er festen Boden unter den Füßen und richtete sich auf. Eine Wasserranke hatte sich in einer Spitze seiner Krone verhakt.
    »Karadur!« rief er, befreite sich von der Ranke und rieb sich das Sumpfwasser von der Haut.
    Es überraschte ihn nicht, als die Antwort ausblieb. Eine meilenlange Wanderung fiel dem alten Knaben wahrscheinlich nicht leicht, und er mochte erst bei Dämmerung eintreffen. Da Jorian nichts anderes Nützliches zu tun fand, suchte er eine geschützte Stelle, nahm seine Krone ab, legte sich hin und war bald fest eingeschlafen.
     
    Die Sonne war weitergewandert, wenn sie auch dem Horizont noch fern war, als Jorian vom Klang einer Stimme geweckt wurde. Er sprang auf und sah sich Karadur gegenüber, der in seiner normalen Aufmachung vor ihm stand, auf einen Stab gelehnt und schweratmend.
    »Heil!« sagte Jorian. »Wie hast du mich gefunden, alter Mann?«
    »Du … äh … hast geschnarcht, König … ich meine, Jorian.«
    »Werden wir verfolgt?«
    »Nein, soweit meine Künste dies zu zeigen vermögen. Je, bin ich erschöpft! Gestatte mir zu ruhen.« Der Zauberer setzte sich seufzend ins Gras. »Seit Jahren habe ich mich nicht mehr so verausgabt. Zwei Zaubersprüche auf einmal zu bewirken hat mich fast umgebracht, und dieser Marsch durch den Wald war das letzte.« Er barg den Kopf in den Händen.
    »Wo hast du unsere Sachen versteckt?«
    »Ah, ich bin zu erschöpft zum Nachdenken. Wie hat dir die Nachwelt gefallen?«
    » Oi! Gar fürchterlich, obwohl ich nur wenig davon gesehen habe«, sagte Jorian. Er beschrieb die Doppelstraße und die ungeheuren Fahrzeuge, die darauf entlangrasten. »Bei Thios Hörnern, das Leben muss dort weitaus riskanter sein als in unserer Welt, trotz seiner Kriege, Seuchen, Räuber, Zaubereien und wilden Tiere. Ich würde mich lieber in eine eurer mulvanischen Höllen schicken lassen, wo man es nur mit ein paar netten, blutrünstigen Dämonen zu tun bekommt.«
    »Ja, es ist eine Welt großen Reichtums und mancher seltsamer Apparate, aber ich hoffe, ich muss nie eine Inkarnation dort durchmachen.«
    »Warum nicht?«
    »Weil es sich um eine Dimension niederen Materialismus’ handelt, in der die Zauberei so schwach ausfällt, dass sie praktisch gar nicht vorhanden ist; welche Möglichkeiten gäbe es also für einen erfahrenen Magister wie mich? Jene, die sich in der anderen Welt als Zauberer ausgeben, sind meistens Betrüger, wie man hört. Ja, sogar die Götter jener Welt sind nur schwache Geister, vermögen kein Wohl oder Wehe bei denen zu bewirken, die sie lieben oder hassen.«
    »Haben die Leute also keine Religion?«
    »Aye, sie behaupten jedenfalls, sie hätten eine. Sie beschäftigen auch Zauberer – Astrologen und Geisterbeschwörer und dergleichen. Das liegt nicht daran, dass die Götter und Zauberer jener Ebene ihnen viel Gutes oder Böses tun können, sondern an ihrer Wiedergeburt, die ihnen halb verschüttete Erinnerungen an ihr vorheriges Leben in dieser Welt beschert, wo solche Dinge stark vertreten sind. Aber im ganzen sind die Leute jener Dimension in spirituellen Dingen blind.«
    Jorian hieb nach einer Fliege. »Dann müsste es mir dort gut ergehen, wo ich doch nicht mehr psychische Kräfte als ein Kohlkopf habe!«
    »O nein, im Gegenteil.«
    »Warum?«
    »Deine Stärke und Beweglichkeit – hier dein größter Vorteil – würden dir dort nichts nützen. Was hat es für einen Sinn, wenn du zwischen Sonnenaufgang und Sonnenuntergang vierzig Meilen zu reiten vermagst, wenn einer dieser seelenlosen Wagen die dreifache Entfernung in der gleichen Zeit zurücklegen kann? Deine Körperkräfte wären so nutzlos wie meine moralische Reinheit und mein Wissen um geistige Dinge.«
    »Ich bin nicht völlig blöd, obwohl
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