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Der Schmetterlingsthron

Der Schmetterlingsthron

Titel: Der Schmetterlingsthron
Autoren: Lyon Sprague de Camp
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dann los«, sagte der Oberste Richter.
    Karadur zog eine kleine Messingglocke aus der Tasche. »Wenn ich damit läute, schlagt zu!« sagte er. Er schüttete neues Pulver in seine Schale, worauf die Flammen hoch aufschossen.
    »Knie nieder, mein Sohn«, sagte Karadur. »Fürchte dich nicht.«
    Die Menge geriet erwartungsvoll in Bewegung. Väter hoben ihre Kinder auf die Schultern.
    Jorian warf einen nachdenklichen Blick auf den alten Mulvanier. Dann kniete er vor dem Block nieder und legte sein Kinn in die Vertiefung auf der anderen Seite. Er verdrehte die Augen, um Uthar, den Schlachter, sehen zu können, ohne sich das zu sehr anmerken zu lassen. Uthar schob Jorians langes Haar zur Seite, um den Nacken freizulegen.
    Karadur murmelte weitere Zaubersprüche und gestikulierte mit seinen dünnen braunen Armen. Schließlich ließ er die Glocke erklingen. Jorian sah, wie die Axt in die Höhe stieg. Dann sprach die Glocke erneut, zum Zeichen, dass sich die Klinge nach unten in Bewegung gesetzt hatte.
    Jorians nächste Handlung erforderte eine genaue zeitliche Abstimmung, und er war sich des Erfolgs ganz und gar nicht sicher – obwohl Karadur und er stundenlang im Privatturnsaal des Königs geübt hatten, wobei der alte Zauberer allerdings nur einen Besenstiel geschwungen hatte und keine Axt. Vor allem war Jorian ein wenig müde, weil vier seiner Frauen in der letzten Nacht einen letzten Beweis seiner Liebe von ihm gefordert hatten.
    Als die Axt herabsauste, warf Jorian die Fesseln ab, an denen er seit einigen Minuten mit dem kleinen Messer gesäbelt hatte. Gleichzeitig schnellte er sich nach links und fiel auf die Seite. Da die schwere Axt bereits voll in Bewegung war, vermochte der stämmige Scharfrichter ihren Kurs nicht mehr zu ändern. Die Klinge fuhr in den Block und sank tief in das rotbemalte Holz.
    Mit schneller Bewegung kam Jorian auf die Füße und steckte sich das kleine Messer zwischen die Zähne. Karadur warf noch etwas in die Wanne, die nun wie ein kleiner Vulkan aufzuschäumen begann und grünen und roten Rauch verbreitete. Der Zauberer stieß einen lauten Schrei aus, woraufhin sich das vor ihm liegende Seil straffte und senkrecht in die Höhe ragte. Sechs Meter über der Plattform verschwand es in einer Art Nebel, als habe es ein Loch in den Himmel gestochen. Eine gewaltige Rauchwolke hüllte die Plattform ein, so dass die Zuschauer nichts mehr erkennen konnten. Jorian eilte zu dem Scharfrichter, der sich verzweifelt bemühte, die Klinge aus dem Holz zu lösen. Mit einem mächtigen Faustschlag warf er den stämmigen Schlachter von der Plattform.
    Ein Schrei Karadurs ließ Jorian herumfahren. Einer der Hellebardiere stürzte auf ihn zu. Mit einer blitzschnellen Bewegung fasste Jorian die Waffe hinter der Spitze, ehe das Metall seine Haut ritzen konnte. Die Wucht des Ansturms trug den Soldaten rechts an ihm vorbei.
    Nun fasste Jorian den Schaft mit beiden Händen, kehrte dem Soldaten den Rücken, nahm die Hellebarde über die Schulter und zog die Spitze der Waffe nach unten. Der Mann wurde über Jorians breiten Rücken gehoben und in weitem Bogen von der Plattform geschleudert. Hastig suchten der Oberste Richter und der Hohepriester des Zevatas das Weite, wobei der Geistliche die Balance verlor und sich bei dem Sturz von der Treppe nicht unerheblich verletzte.
    Aus Angst oder aus Liebe für seinen ehemaligen König zögerte der zweite Soldat, der sich noch auf der Plattform befand; er hielt seinen Speer unschlüssig in der Hand. Da Jorian nichts gegen den Mann hatte, drehte er seine Waffe um und versetzte dem Wächter mit dem Schaft einen Stoß, der ihn über das Geländer trieb.
    Somit waren Karadur und Jorian zwölf Sekunden nach dem Hieb des Scharfrichters die einzigen Personen auf der Plattform. Ein Murmeln wurde in der Menge laut, die langsam zu begreifen begann, dass mit der Hinrichtung nicht alles glatt gegangen zu sein schien. Ein lautes Kommando erklang, und eine Abteilung Speerträger lief zur Treppe des Gerüsts.
    Jorian ließ seine Hellebarde fallen und eilte zu dem Seil. Nicht umsonst hatte er monatelang das Seilklettern geübt, bis seine Arm- und Handmuskeln hart wie Stahl waren. Als er sich emporschwang, schwankte das Seil leicht hin und her, blieb jedoch fest. Die Plattform fiel unter ihm zurück Irgendwo knackte eine Armbrust, und Jorian hörte das Sirren des Pfeils.
    Unter ihm herrschte jetzt ohrenbetäubender Lärm in der Menge. Soldaten eilten die Treppe herauf. Als sie die Plattform
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