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Der schlaue Pate

Der schlaue Pate

Titel: Der schlaue Pate
Autoren: Volker Schnell
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endgültig zu lösen.« Igor erlaubte sich ein Seufzen und zündete sich eine Zigarette mit dem Feuerzeug an, das Prinz dagelassen hatte. »Eigentlich schade. Ich betrachte ihn wirklich als einen Freund von mir, wissen Sie.«
    »Wie bedauerlich«, hörte er die Person am anderen Ende sagen.

4.
    An einem Tag im Dezember …
    … an dem in Brüssel wieder mal der Euro gerettet wurde und der Bundespräsident in einer Affäre um Kredite versank, saß eine junge hübsche Frau im Salon des Guts Holdorf vor einem Laptop und machte eine PowerPoint- und Audio-Präsentation. Sie war vor Kurzem dreiundzwanzig Jahre alt geworden, hieß Desirée Müller und war die uneheliche Tochter von Prinz.
    »Deine Vermutung stimmt«, sagte sie zu ihrem Vater, drückte Tasten, der russische Mitschnitt erklang, und gleichzeitig erschien die Übersetzung an der Wand.
    Alle im Raum, außer Desirée und dem jungen Mann mit dem flachsblonden Haar und den slawischen Gesichtszügen, der neben ihr saß und von dem die Übersetzung stammte, sogen hörbar Luft ein.
    Und außer Prinz, der keine Miene verzog. »Sagte ich doch.«
    Der Salon im Herrenhaus des Guts Holdorf war mit schweren Vorhängen verdunkelt, sodass die zahlreichen von Loquais in Öl, die an den Wänden hingen, kaum zu erkennen waren. Außer Anja, die Dienst im Klinikum hatte, war das ganze Team versammelt, und sie alle starrten erst einander, dann Prinz fassungslos an.
    Das Gut Holdorf lag in einem idyllischen Tal, etwa fünfundzwanzig Kilometer nordwestlich von Kassel, umgeben von zwei Armen eines Bachs. Neben dem stattlichen weißen Herrenhaus mit Portikus, in dem Prinz das Stockwerk über dem Salon bewohnte, gab es noch das alte Gesindehaus, in dem neben dem Personal, zwei ältlichen Schwestern, von allen hinter ihrem Rücken »die Nonnen« genannt, und Desirée auch Ollie mit seiner Frau sowie Jörg und Dirk wohnten, die dort außerdem ihre Trainingräume hatten. Ollies Technikreich, meist »Bastelbude« genannt, war im Keller. Ingrid, die Gutsverwalterin, bewohnte ein eigenes hübsches Fachwerkhäuschen, wie auch die Familie, die sich um die Pferde und die Anlagen für Springreiten und Dressur kümmerte. In den ausgedehnten Feldern lagen verstreut die Häuser der Pachtbauern.
    »Wo sind wir da bloß reingeraten?« Ollie drückte eine Zigarette aus.
    »Und wie kommen wir da wieder raus?«, hauchte Ingrid. Sie war eine attraktive Frau in den Fünfzigern mit einer klassischen Sanduhrfigur, mit der sie noch immer problemlos viele Jahre jüngere Männer verführen konnte. Aber jetzt war sie vollkommen bleich im Gesicht.
    Pit, der wie immer elegante Davidoffs rauchte, meinte: »Kalifornien.«
    Erich hatte zuvor stolz gegrinst, weil es ihm tatsächlich gelungen war, die Russen zu verfolgen; doch nun wirkte er sehr besorgt. Er versuchte, eine seiner Selbstgedrehten herzustellen, aber seine Finger zitterten zu sehr.
    »Ich kann nicht weg.« Er hatte Frau und Kinder.
    »Nun brecht nicht gleich in Panik aus«, meinte Prinz gelassen. »Erst mal bin ja nur ich gemeint. Und ich soll was herausfinden.«
    Wieder starrten ihn alle an.
    Neben Prinz saß ein großer, breiter, weich wirkender Mann mit brauner Tolle.
    »Trotzdem, da bleibt nur die Staatsgewalt«, behauptete er.
    Er hieß Andreas Viehmann, trug neben Pit Sabatka als Einziger im Raum einen Anzug, war Anwalt, Sohn eines ehemaligen Landesjustiz- und -innenministers und machte keinen Hehl daraus, dass er schwul war. Er hatte Prinz mit einer Wiederaufnahme aus dem Knast geholt. Jetzt zündete er versonnen einen seiner teuren Zigarillos an.
    Prinz sah Ollie an. »Diese letzte Bemerkung. Das hörte sich an wie eine Frau, oder? Eine nicht mehr junge Frau.«
    Von Igors Gesprächspartner war nur die letzte Bemerkung zu hören gewesen, weil er gerade eine Zigarette ansteckte, wodurch das Mikro nah genug am Handy war.
    »Ich glaube«, sagte Desirée langsam, sichtlich um Professionalität bemüht, »ich weiß, wer das gewesen sein könnte.«
    »Wer?«
    »Irina Pawlowna Sarnizyna. Die Sicherheitschefin des schlauen Paten. Angeblich war sie mal die beste Profikillerin des   KGB . Sie schickt die Torpedos los. So nennen sie Experten, die einfliegen, ihren Job erledigen und wieder verschwinden.«
    Prinz betrachtete seine Tochter. Ihre Mutter, eine verhärmte Frau Mitte vierzig, der man nicht mehr ansah, dass sie einmal noch hübscher gewesen war als Desirée, hatte dem fünf Jahre jüngeren Prinz, der nie Kinder gewollt hatte, die Schwangerschaft
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