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Der Schatz des Dschingis Khan

Der Schatz des Dschingis Khan

Titel: Der Schatz des Dschingis Khan
Autoren: Monika Felten
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endlich, warum er sich so unmöglich benommen hatte. Muriel war klar, dass sie keine Wahl hatte. Sie musste dem Ruf folgen – Schule hin oder her.

Dschingis Khan

    Keine drei Minuten später saß Muriel auf Ascalons Rücken und preschte mit ihm den Hügel hinauf auf das Tor zu, in dessen Nähe ihr Mountainbike lehnte. Der See, der Hügel, die alte Eiche, die Pferde an der Heuraufe; all das blieb hinter ihnen zurück, als Ascalon aus dem gestreckten Galopp zum Sprung ansetzte und das mehr als anderthalb Meter hohe Tor mit geradezu spielerischer Leichtigkeit überwand.
    Muriel hielt sich an der Mähne fest. Die Stille, die den Sprung begleitete, war ihr inzwischen ebenso vertraut wie das seltsame Gefühl der Zeitlupe, das immer in dem Augenblick einsetzte, wenn sich Ascalon mit seinen Hinterbeinen vom Boden abstieß.
    Diesmal war es neben dem Tor auch ihr Mountainbike, das unendlich langsam an ihr vorbeizog. Der Rucksack mit den Schulsachen lag noch immer auf dem Gepäckträger. Als Muriel ihn sah, regte sich in ihr ein schlechtes Gewissen. Eigentlich sollte sie längst in der Schule sein, bei Vivien und Nadine …
    Vivien und Nadine. Obwohl sie wusste, dass sie mit Ascalon in eben dieser Minute zurückkehren und nichts verpassen würde, ganz gleich, wie lange ihr Abenteuer auch dauern mochte, überkam sie beim Klang der Namen schon jetzt ein Anflug von Heimweh.
    Was bin ich nur für eine lausige Schicksalswächterin, schalt sie sich in Gedanken, dass ich die Entscheidung, der Schicksalsgöttin zu helfen, schon beim vierten Ritt anzweifle. Immerhin habe ich dafür das schönste und klügste Pferd der Welt bekommen. Und irgendwie bin ich ja auch gar nicht richtig weg, weil zu Hause niemand etwas von unserem Ausritt bemerken wird.
    Mit einem sanften Ruck setzte Ascalon auf der anderen Seite des Tors auf und preschte in den Wald hinein. Muriel atmete tief durch und versuchte, ihr Augenmerk auf die wundersame Landschaft zu richten, die sie nun umgab. Die prächtigen Bäume und Sträucher mit ihrer Blütenpracht schienen weder Frost noch Schnee zu kennen. In der Heimat der Schicksalsgöttin, so schien es, herrschte immerwährender Frühling. Aber nicht einmal die milde Luft mit ihren lieblichen Düften konnte die Unruhe aus ihrem Herzen vertreiben, die sich dort hartnäckig festgesetzt hatte.
    Muriel gab es nur ungern zu, aber es war nicht wirklich nur das vermeintliche Heimweh, das sie quälte. Sie hatte Angst.
    Die Schwierigkeiten, auf die sie während der Reise ins mittelalterliche Avalon gestoßen war, waren ihr noch gut in Erinnerung geblieben. Die Schmerzen, als die Blitze sie bei ihrem Ritt durch die Zeit getroffen hatten, der Sturz ins Nichts und die Todesängste. Dazu die Sorge, Ascalon verloren zu haben und auf ewig im Mittelalter gefangen zu sein. All das hatte sich tief in ihr Gedächtnis gebrannt, und obwohl das Abenteuer am Ende gut ausgegangen war, hatte es den Zeitreisen die Unbeschwertheit genommen. Das Vertrauen, mit dem Muriel ihre Reise zu den Maja angetreten hatte, war dahin. Sie wusste jetzt, dass weder Ascalon noch die Schicksalsgöttin sie davor bewahren konnten, dass etwas schiefging.
    Wie von selbst wanderte Muriels Hand zum Halsausschnitt ihrer Jacke, unter der sie den silbernen Ring der Wächter an einer stabilen Kette um den Hals trug. »Der eine Ring«, wie Mirko ihn scherzhaft und in Anspielung auf den magischen Ring aus Der Herr der Ringe nannte, war seit dem letzten Abenteuer Tag und Nacht ihr ständiger Begleiter. Nie wieder wollte sie ohne ihn durch die Zeit reiten, nie wieder solche Ängste ausstehen, wie bei ihrem Besuch in Camelot, als sie den Ring zu Hause vergessen hatte. Er war ein Geschenk der Göttin und ihre Verbindung zu Ascalon. Das wusste außer ihr natürlich niemand. Alle dachten, sie hätte ihn auf dem Weihnachtsmarkt in Willenberg bei einem Kunsthandwerker erstanden. Die Moralpredigt ihrer Mutter über die sinnvolle Verwendung von Taschengeld, die sie sich mit der kleinen Notlüge eingehandelt hatte, hatte Muriel gern in Kauf genommen. Hauptsache, sie konnte den Ring offen tragen und lief nicht Gefahr, ihn noch einmal zu vergessen.
    Mithilfe der beiden mystischen germanischen Schriftzeichen R und M, die in den Ring eingraviert waren, würde Ascalon sie immer und überall finden können – ganz gleich, was auch passieren würde. Muriel ertastete den Ring unter dem Stoff ihres Sweatshirts und ließ die Hand sinken, da wechselte der Hufschlag auch schon von einem harten in
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