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Der Schatten von nebenan - Roman

Der Schatten von nebenan - Roman

Titel: Der Schatten von nebenan - Roman
Autoren: Michael Saur
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wahrscheinlich von Schulen für ihre Kinder, den günstigsten Supermärkten und Hauskrediten sprechen. Sie leben in Park Slope, weil dort ihresgleichen wohnt. Mit David Amos aber war es, als gehörte er nicht hierher. Ich hatte ihn nur wenige Minuten beobachtet, aber seine scheinbare Verschlossenheit distanzierte ihn von diesem Ort. Mir schien, als könnte er überall leben, oder auch nirgends. Und durch seine Unzugehörigkeit hierher oder irgendwohin, fühlte ich mich plötzlich ebenfalls rechtmäßig an diesem Ort. David Amos hatte mir endlich den Grund geliefert, zu sein, wo ich angekommen war.
    Ich hatte Claire später zwar erzählt, wer unser Nachbar war, ihr jedoch die Bedeutung dieser Tatsache für mich verschwiegen. Vielleicht wurde mein Geheimnis durch mein Schweigen irgendwie dunkel. Als Randolph Durant in mein Leben trat, war ich jedenfalls an einem Punkt angelangt, an dem ich begierig war, dieses Geheimnis mit jemandem zu teilen. Das war umso wichtiger geworden, da meine Begeisterung für Amos sich seit einiger Zeit zu verändern begonnen hatte. Enttäuschung hatte sich breit gemacht. Hatte ich mich geirrt? War Amos’ Nähe zu einem leeren Versprechen verkommen?
    Jener Art waren also die Gedanken über Amos, die sich in meinem Kopf formten, als Durant auf seine Uhr sah: »Nun, hab Ihnen genug Ihrer Zeit gestohlen. Danke vielmals für all Ihre Hilfe. Muss los. Eine Bleibe finden. Werde mich dann ums Geschäftliche kümmern.«
    Damit erhob sich Durant aus dem Stuhl. Ich aber wollte keinesfalls, dass der Tag in einer Leere verstreichen sollte, die für mich seit meiner ersten Begegnung mit Amos längst zur Gewohnheit geworden war. Ich wollte nicht unwiederbringlich verloren sehen, was ich als Chance erkannt hatte, nämlich dass Durant plötzlich eine Verbindung zwischen Amos und mir sein konnte. Ich wurde mit einem Mal gesprächig, und mir fiel nichts Besseres ein, als Claire in das Gespräch einzubringen.
    »Meine Frau ist unterwegs. Sie fliegt heute aus Chicago zurück. In einer Stunde wird sie in ihrem Büro sein. Vielleicht kennt sie ein anderes Hotel in der Nachbarschaft. Wann ist Ihre Verabredung denn?«
    »Geben Sie sich bitte keine Mühe. Das geht schon«, antwortete Durant und ignorierte meine Frage nach der Uhrzeit seines Termins, »es gibt genug Unterkünfte in einer Stadt wie New York. Irgendwo um den Flughafen herum finde ich sicher was.« Die Ironie, dass ein Mann, der das Fliegen fürchtete, am Flughafen übernachten wollte, streifte mich kurz.
    »Es ist Wahnsinn, blindlings rumzufahren und dann am falschen Ort zu landen. Die Stadt ist riesig«, sagte ich.
    Da lachte er und antwortete, »Ja, die Stadt erscheint mir wie ein Ameisenhaufen. Ich denke, Sie haben Recht und ich werde mir von hier ein Taxi nehmen.«
    »Wir gehen erst hinunter in ein Restaurant auf der Seventh Avenue. Ich lade Sie zu einem frühen Mittagessen ein«, insistierte ich fast vorlaut.
    Zu meiner freudigen Überraschung willigte er ein.

-6-
    A uf der Carroll Street war die Luft klar und frisch und die Temperatur angenehm. Es war alles in allem ein vielversprechender Morgen. Ich hatte gerade sein Autokennzeichen bemerkt – »Florida – The Sportsman’s Paradise« –, als ich sah, dass sein Hinken von einem ausgewachsenen Klumpfuß rührte, der in der Weite der Straße seine Bewegungen in einen ungeschickten Tanz verwandelte. Zu meiner Überraschung verdunkelte sich in dem Moment Durants blasses Gesicht, und ich dachte, es hätte mit meinem Starren zu tun. Aber er hatte mich gar nicht bemerkt, sondern sah David Amos’ Brownstone an. Es war das einzige freistehende Haus in unserem Block, mit schmalen Grünflächen auf jeder Seite, die es von seinen Nachbarn trennte, von unserem Haus hügelabwärts und hügelaufwärts von dem Haus einer zwar farbenfrohen, aber streitsüchtigen Dame mit unzähligen Katzen und einem traurigen Grinsen im Gesicht. Es waren schmale Gärtchen mit Arrangements von einst lebhaften und nun verwelkenden Sommer- und Spätsommerblumen dazwischen. Amos’ Haus war in rostroter Farbe gestrichen und sah um einiges gepflegter aus als die anderen Gebäude in der Straße. Die feine Holzarbeit der Tür war kunstvoll erneuert und in einem tiefen Schokoladenbraun lackiert worden. Die makellos sauberen Fenster waren in helles Holz gerahmt, die Stufen hoch zur Doppeltür sahen gefegt aus, und die Mülltonnen waren hinter einem teuer aussehenden Zaun aus lackiertem Eisen untergebracht. Weiße Lilien standen auf
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