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Das Geheimnis des Falken

Titel: Das Geheimnis des Falken
Autoren: Daphne DuMaurier
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1. Kapitel
     
    1. Kapitel
    Wir hatten den Termin nicht eingehalten. Die Agentur ›Sonnenreisen‹ versprach ihren Gästen auf dem vorgedruckten Fahrplan, daß der Autobus gegen 16 Uhr vor dem Hotel Splendido in Rom eintreffen würde. Ein Blick auf die Uhr belehrte mich darüber, daß es drei Minuten vor sechs war. »Sie schulden mir 500 Lire«, sagte ich zu Beppo. Der Fahrer schmunzelte. »Darüber unterhalten wir uns in Neapel«, sagte er, »in Neapel werde ich Ihnen eine Rechnung über mehr als 2.000 Lire präsentieren.«
    Während der Fahrt pflegten wir pausenlos zu wetten. Wir führten beide Buch und notierten, wieviel Zeit wir jeweils für welche Strecke benötigten. Irgendwann, wenn wir Lust dazu hatten, rechneten wir ab. Meistens zahlte ich – gleich wer tatsächlich gewonnen hatte. Als Reiseleiter kassierte ich die größeren Trinkgelder.
    Lächelnd drehte ich mich um zu meiner Ladung, den Touristen.
    »Willkommen in Rom, Ladies and Gentlemen«, sagte ich. »Willkommen in der Stadt der Päpste, der Cäsaren und der brennenden Christenmenschen, und der Filmstars natürlich.«
    Eine Welle des Gelächters lohnte meine Mühe. In der letzten Reihe brachte jemand ein Hoch auf mich aus. Sie mochten diese Art von Randbemerkungen. Jeder Scherz, den der Reiseleiter von sich gab, untermauerte die Beziehung zwischen Passagieren und Piloten. Beppo als Fahrer war für ihre Sicherheit im Verkehr verantwortlich, ich aber hielt als Führer, Manager, Vermittler und Seelenhirt ihr Leben in meiner Hand. Vom Reiseleiter hängt es ab, ob so eine Sonderfahrt ein Erfolg oder ein Misserfolg wird. Wie ein Chorführer muß er kraft seiner Persönlichkeit sein Team dazu bringen, in Einklang zu bleiben. Er muß die Rabauken in Schach halten, die Schüchternen ermuntern, sich mit den Jungen verschwören, den Alten schmeicheln.
    Ich kletterte von meinem Hochsitz hinab, stieß die Tür weit auf, sah Portiers und Pagen durch die Drehtüren des Hotels auf uns zustürzen und beobachtete, wie meine Herde ausstieg. Fünfzig, alles in allem. Ihre Häupter zu zählen erübrigte sich. Wir hatten zwischen Assisi und Rom nicht gehalten. Ich ging voran zum Empfangspult.
    »›Sonnenreisen‹. Angloamerikanische Freundschaftsliga«, stellte ich vor, und schüttelte dem Empfangschef die Hand. Wir waren alte Bekannte, denn ich befuhr diese Route bereits seit zwei Jahren.
    »Gute Fahrt gehabt?« fragte er.
    »Befriedigend«, erwiderte ich, »abgesehen vom Wetter. In Florenz hat es gestern geschneit.«
    »Wir haben schließlich erst März«, sagte er, »was wollen Sie! Ihr eröffnet die Saison eben zu zeitig.«
    »Das sollten Sie dem Hauptbüro in Genua erzählen«, antwortete ich.
    Es war alles in Ordnung. Wir pflegten natürlich en bloc zu bestellen, und da es noch früh im Jahr war, hatte die Direktion meine ganze Mannschaft im zweiten Stock logiert. Das freute sie sicher. Der zweite Stock wirkt respektabel. Späterhin würden wir froh sein können, wenn wir im fünften unterkriechen konnten, mit Blick auf den Hof.
    Der Empfangschef sah zu, wie meine Gesellschaft die Halle zu füllen begann. »Was haben Sie uns denn diesmal mitgebracht?« erkundigte er sich, »die Heilige Allianz?«
    »Fragen Sie mich nicht«, erwiderte ich achselzuckend. »Sie sind am Dienstag in Genua angekommen und haben dort Verstärkung erhalten. ›Beef-Esser‹ und ›Barbaren‹. Lassen Sie im Restaurant servieren, wie üblich! Es sind 48.«
    »Wir haben schon gedeckt«, sagte er, »und auch der Sonderbus ist angefordert, für 9 Uhr. Wünsche viel Vergnügen.«
    Im Touristengeschäft haben wir für unsere Kunden gewisse Schlüsselnamen. Die Engländer rangieren unter ›Beef-Esser‹, die Amerikaner als ›Barbaren‹. Das mag nicht sehr schmeichelhaft sein, aber es ist angemessen. Schließlich liefen diese Leute – nichts für ungut – noch wild auf Weiden und Prärien herum, als wir von Rom aus bereits die Welt regierten.
    Ich machte mich daran, die beiden Wortführer meiner angloamerikanischen Truppe herzlich zu begrüßen.
    »Es ist alles in bester Ordnung«, sagte ich. »Wir sind durchweg im zweiten Stock logiert, und jedes Zimmer hat ein Telefon. Wenn Fragen sind, rufen Sie bitte durch zum Empfang. Sie werden dann mit mir verbunden. Zum Abendessen treffen wir uns um 7.30 Uhr, hier in der Halle. Und jetzt wird Ihnen der Empfangschef Ihre Zimmer zeigen. O.K.?«
    Theoretisch war dies der Augenblick, wo ich mich für eine Stunde und zwanzig Minuten zurückzuziehen
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