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Der Schachspieler

Der Schachspieler

Titel: Der Schachspieler
Autoren: Jeffrey B. Burton
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Eintrittswunde mitten in Alains Stirn steckte.
    Ebenfalls seltsam war das »Außer Betrieb«-Schild, das an der Tür klebte. Das Reinigungsteam aus Queenstown hatte sich darüber gewundert. Es war ein Schild, wie man es in jedem Ramschladen kaufen konnte, aber keines, das sie selbst verwendeten. Außerdem tauchte in ihren Unterlagen nirgends auf, dass ein WC defekt war. Die Mitarbeiter betraten die Toilette und sahen zwei Beine aus einer Kabine ragen. Möglicherweise hätten sie etwas anderes vermutet, wäre da nicht das Blut gewesen … und der Geruch: Beweis für die abführende Wirkung des Todes. Die Polizei in Queenstown übernahm den Fall, doch als die Sache mit der Schachfigur bekannt wurde, schickte das FBI sofort ein Team von Special Agents, damals unter Cadys Leitung, zum Tatort.
    Die Schachfigur deutete auf einen Zusammenhang zwischen dem Mord an Alain Zalentine und dem Sanfield-Fall hin. Die Morde hatten sich in verschiedenen Bundesstaaten ereignet, genauer gesagt, im District of Columbia und im Bundesstaat Maryland, denn der Hauptstadtbezirk mit Washington D. C. gehörte keinem Bundesstaat an. Damit fielen die Verbrechen in die Zuständigkeit des FBI, und Cady stellte sogleich eine Spezialeinheit zusammen, die eng mit den lokalen Behörden zusammenarbeiten würde. Entgegen der landläufigen Meinung und der Darstellung in Hollywoodfilmen riss das FBI die Fälle nicht einfach den zuständigen Behörden aus der Hand.
    Die Polizei in Queenstown hatte sich bereits mit den Kollegen in Beverly Hills in Verbindung gesetzt. Ein Streifenwagen mit einem Trauerbegleiter war unterwegs zur Villa der Zalentines, um Alains Eltern die Nachricht zu überbringen. Queenstown war außerdem mit dem Police Department von Cambridge, Maryland, in Kontakt getreten. Es war bisher nicht gelungen, Alains Bruder Adrien zu erreichen, weder zu Hause noch an seinem Handy, dessen Nummer von Verizon-Maryland sofort preisgegeben wurde. Cambridge schickte einen Streifenwagen zu den Dorchester Towers, wo die Zalentine-Zwillinge Luxuswohnungen besaßen, um den vermissten Bruder vielleicht dort zu finden.
    Im Gegensatz zur geschäftigen namensgleichen Stadt in Massachusetts ging es in Cambridge, Maryland, recht ruhig zu – zumindest bis zu diesem Tag. Der Staatsanwalt von Cambridge wurde verständigt. Das Opfer war immerhin ein Erbe des Zalentine-Diamantenimperiums, was die Sache äußerst brisant machte. In diesem Fall musste man sich genau an die Spielregeln halten, damit vor Gericht alles hieb- und stichfest war. Agent Cady erkannte sofort, warum man so vorsichtig vorging. Der Bruder des Toten war unauffindbar, und die Ermittler hielten es für möglich, dass er auf der Flucht war, zumal die meisten Morde von jemandem begangen werden, der das Opfer kennt, sehr oft von einem Familienmitglied. Somit galt Adrien zumindest vorläufig als dringend tatverdächtig. Ein Familiendrama in diesen Kreisen würde den Prozess am Gericht von Queenstown zum Medienzirkus ersten Ranges machen. Cady sah schon die Schlagzeilen vor sich: Kain-und-Abel-Mord erschüttert verschlafene Stadt . Die Bezirksstaatsanwälte von Queenstown und Cambridge mussten jedenfalls von Anfang an einbezogen werden.
    Doch zuerst mussten sie den Bruder des Toten finden.
    Die Unterkünfte der Zwillinge als Luxuswohnungen zu bezeichnen, wäre eine glatte Untertreibung gewesen. Alain und Adrien bewohnten das oberste Stockwerk der Dorchester Towers in der Nähe der Washington Street und des Stadtzentrums. Es handelte sich um zwei große Fünfzimmerwohnungen, dazu einen gigantischen Fitnessraum, der jedes professionelle Studio in den Schatten stellte, ein Kinosaal mit hundert Plätzen und eine Spielhalle so groß wie Fort Knox, wo es alles gab: von klassischen Flipperautomaten über Videospiele wie Donkey Kong und Pac-Man bis Spielkonsolen wie PlayStation und Wii. Den Rest des Stockwerks nahm eine bestens sortierte Bar ein, die man mit »Disney World meets Disco« hätte beschreiben können. Cady hatte sich in der ganzen obersten Etage umgesehen, um ein Gefühl dafür zu bekommen, wie Alain gelebt hatte: Alles in allem sah es aus wie im feuchten Traum eines sechzehnjährigen Jungen.
    Alain war in seinen besseren Tagen ein drahtiger, dünner, aber muskulöser Bursche von eins dreiundachtzig gewesen, das blonde Haar wie ein Model gescheitelt. Der einzige äußere Unterschied zwischen den beiden Zwillingen war der Scheitel, den Adrien nicht wie sein Bruder auf der rechten, sondern auf der
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