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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister
Autoren: Roland Krause
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Schädel vom Viech auf.
    Das wäre schon ein Gewinn an Hirnmasse, man bräuchte bloß noch drauf zu warten, bis der Troll zum gackern anfängt.
    Einfach wieder ins Bett steigen. Decke drüber, und gut ist es. Morgen reloaded.
    Und der Hartinger? Denkt sich auch nix, bevor er was dahersagt.
    »Das ist jetzt an sich ned ungewöhnlich, dafür hat man einen Friedhof«, antwortet der Sandner ihm, betont langsam.
    Ein heftiges Schnaufen bekommt er zur Antwort. Als wäre es ein obszöner Anruf. Natürlich hat der Hartinger jetzt nicht in seinem BMW hurtig ins Taschentücherl onaniert, obwohl ihm das Adrenalin bestimmt schon aus den Ohren dampft. Schlicht die Sprache hat es ihm verschlagen.
    Schließlich erlöst ihn der Sandner. »Na gut, hol mich ab, sagen wir in zwanzig Minuten, aber derrenn dich nicht. Zuerst ist eh die Spusi dran, und du erzählst mir dann im Auto alles.« Er wartet nicht auf eine Reaktion, sondern wirft gleich das Handy auf das Sofa.
    Was denn jetzt wär, hat ihn der Lehnharter vom Gang her gemahnt.
    Schweigend schlappt der Angesprochene in die Küche und kommt mit einer Plastiktüte vom Penny zurück, die er dem Hausmeister hinhält. Die Miene dazu hat er sich vom Clint Eastwood geliehen.
    »Einpacken!«
    Dankbarkeit pur strahlt ihm aus rot geäderten Augen entgegen. Wie der bärtige Riese das Tier umständlich in die Tüte stopft, um sie dem Polizisten zu überlassen, kann der bloß fasziniert die Augen aufreißen. Das hast du nicht alle Tage. Manche nie. Madre mia!
    »Dank Ihnen und ent...«
    Dem Troll wird der eingetütete Gockel weggerissen, und die Tür knallt zu.
    »In maximal fünf Minuten sind wir da«, hat der Hartinger gerade stolz vermeldet. Angemessene Begeisterung ist dafür vom Hauptkommissar nicht zu ernten.
    Der Regen prasselt gegen die Windschutzscheibe, sodass die Scheibenwischer mit der Arbeit kaum nachkommen.
    Untergiesing ist »Llareggub« in der Morgenstunde, die Vorhänge zugezogen, die Autos in den Garagen hinter den hölzernen Türflügeln. Träge rappelt er sich hoch, der Tag. Drinnen, in den Stuben der grauen und gelben Wohnblocks, ziehen sich die ersten Kirchgänger die schwarzen Strümpfe an oder köpfen ihr halbfestes Frühstücksei, wie seit vierzig Jahren jeder Sonntagmorgen begrüßt werden will. Wohnküche, Kammer und Speis, so lebt es sich in den geduckten Arbeitersiedlungen. Manchmal ein Balkon oder ein Fetzen Grün.
    Die Nachkriegszeit hat die Bewohner angespült, zähes Treibholz, von überall her – hier hat es die Wurzeln eingehakt und ausgetrieben. Nach Braten riecht es, Nusskranz und Zufriedenheit.
    Dass Untergiesing im Begriff ist ein kommendes »In-Viertel« zu werden, gerade sonntags spürt man es am wenigsten.
    Der Sandner ist dankbar dafür. Dankbar für die Isarauen, den Mühlbach, den nahen Wald und diese Mischung aus Verwurzeltem und Kreativem, die in Giesing daheim ist. Selbstredend wird hier spekuliert, restauriert, phantasiert, pulverisiert und saniert, auf Teufel komm raus, damit sich der Mietpreis auch gescheit aufplustern kann. Die Münchner Ursuppe ist trotzdem zu löffeln rund um den Kolumbusplatz. Gnadenbrot gibt’s dazu für die kleinen Läden und für jeden, der ein Hefterl braucht, ein Packerl Respekt gratis.
    »Grias Eana Gott, Frau Obermayer, die ›Bunte‹ hob i Eana scho zruckglegt.«
    Die Disposition zu einem »In-Viertel« merkst du gleich, sobald sich diese tragischen Chimären aus Secondhandstores und Designershops vermehren, wie Motten im Küchenschrank. Nutzwert entsprechend. Wenn sich die depperten Namen der »Locations« alle vier Wochen verändern – auch ein Fingerzeig. Hier ein Changeprozess und da ein Changeprozess – besser noch ein Turnaround. Der Wandel ist allerweil ein unglaublich beliebter Begriff. Der wird geherzt und abgebusselt, und manche gehen mit ihm schwanger. Hauptsache, du bleibst nicht als einziger Narr am Platzl hocken, weil du dich mal verschnaufen musst.
    Der Hartinger ist offensichtlich von diesem Geist getragen, trotz Einraumwohnung im Dachauer Betonblock – günstige Miete versus papierdünne Wände – er hatte nicht vor, sich länger als gefühlte zwei Minuten mit Untergiesing aufzuhalten.
    Der Sandner hatte sich gerade das Shampoo aus den Augen gewaschen, da war dessen BMW schon mit heißen Reifen in den Innenhof geschossen. Dem ausgefallenen Frühstück hat er nicht nachtrauern müssen, ein leerer Magen bringt Vorteile bei einem Tötungsdelikt. So hatte er sich hastig angezogen und den
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