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Der Sandner und die Ringgeister

Der Sandner und die Ringgeister

Titel: Der Sandner und die Ringgeister
Autoren: Roland Krause
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der Pumuckl hat einen Wutanfall.
    »Wie ich die Zeitung holen will – direkt auf dem Fußabtreter, verstehens?«
    Der Sandner will es nicht recht begreifen, er wünscht sich eine Pausentaste, um das Geschehen einzufrieren, zumindest solang der Espresso noch heiß ist.
    Das wäre schon eine feine Sache. Da fallen einem pro Tag gleich Minimum zehn Möglichkeiten ein, wie sich so eine Taste bewähren könnte. Man hat verschwitzt, die Parkscheibe akkurat zu stellen, oder du bist beispielsweise ein Mafiosi und damit beschäftigt, den nackten Gespielen deiner Maria unter dem Bett herauszukratzen. Bevor es ans Kastrieren geht, erst mal einen schönen Latte. Oder bedenke in dieser Konstellation den Contra-Protagonisten, für den tät es sich auch lohnen, das Geschehen erst einmal psychisch in den Griff zu bekommen. Vielleicht bei einem Diplomatenkaffee mit 3cl Eierlikör.
    Aber von der cremigen Phantasie zurück zum Statusbericht vom Sandner: Es ist noch nicht mal acht, und ein schweißelnder Depp schüttelt einen gekragelten Hahn vor seinem Gesicht. Da kommst du ins Grübeln. Als fleißiger Nutzer psychoaktiver Substanzen wärst du hier, bezüglich Erklärungsmodell, eindeutig im Vorteil. Einem Sandner, der höchstens trockenem Rotwein und einem guten Whiskey zuspricht, stellt sich eher die Frage nach persönlichen Defiziten. Bin ich damisch geworden? An sich keine schlechte Frage. In der Psychotherapie schon längst etabliert – such die Fehler nicht bei den anderen Deppen, du hast selber dein Päckchen.
    Ein paar rotgesprenkelte Federn schaukeln gemächlich in Richtung des braunen Linoleumbodens. Er schaut zu, wie die Zugluft sie weiterwirbelt, rüber zur Frau Rindsbacher, die sich bestimmt schon die Nase breitgedrückt hat, am Türspion.
    »Wo hat er seinen Kopf gelassen?« Der Sandner ist nicht auf der Höhe. Wieso sich Sorgen machen um einen Fremdkopf? Vielleicht zwei bis drei Aspirin, dann ginge es dem eigenen wenigstens akzeptabel.
    »Des is kein Gspaß, sonst wär ich nicht da!«
    »Warum sind Sie denn überhaupt zu mir? Und hätt das nicht Zeit gehabt?«
    Der Lehnharter stiert ihn an, als wäre der Sandner der Depperte von beiden.
    »Weil Sie ein Kriminaler sind! Verstehen Sie nicht? Ein Huhn ohne Kopf, das weiß man doch – das ist eine Warnung!«
    »Ach so, dann passens halt gut auf, wenns über die Straße gehen.«
    »Ja aber auf was? Das ist doch eine verreckte Sauerei!«
    »Kann das sein, dass Sie zu viel Mafiafilme schauen, Lehnharter? Schauns mal in Ihrem Bett nach, vielleicht liegt da noch ein Pferdekopf.«
    Das Assoziative ist ja oft ein Überraschungspackerl. Dem Sandner fällt spontan die Frau Lehnharter ein. Eine feine Frau, gebürtig in Passau, ganz zierlich und immer höflich. Zimmermädchen im Hotel Adlon ist die früher mal gewesen. Und jetzt? Kaum einmal aus der Wohnung raus, und wenn, dann ganz verhuscht, wie eine Spitzmaus.
    »Sie müssen rausfinden, was das für eine Hurendrecksau war, die dreckige!«
    Da hat der Hausmeister sich rhetorisch vertandelt – dafür bekommt er einen sandnerschen Wutanfall retour.
    »Glaubens, ich hab meine Zeit gestohlen, Lehnharter? Gehen Sie nunter, und werfens das Viech in den Ofen! Machens sich Knödel dazu und eine Soß. Fressens die auf, Ihre depperte Warnung! Wiederschaun!«
    Die Tür will er zuhauen, aber da würde er die Vogelmarionette bös einquetschen, vom Hauswart sturköpfig hingehalten. Selbst wenn das Viech mausetot ist, gut anfühlen würde sich das nicht. Als ob der Hahn noch aufgeregt mit den Flügeln schlagen würde, so beutelt ihn sein Gegenüber.
    »Nehmens endlich das Scheißviech weg oder ...«
    Irgendwo in der Wohnung spielt das Handy »Rawhide« von den Blues Brothers.
    »Sie müssen des rausfinden!«, plärrt der Lehnharter ihm hinterher, wie er sich umdreht, um an der Garderobe seine Jackentaschen zu durchwühlen. »Wer die Sau war! Kommens!«
    »Was ist?«, meldet sich der Sandner, wie er fündig geworden ist.
    »Herr Sandner?«
    Es ist der Hartinger Hubert – aufgedreht klingt er, vor Kurzem hatte der seine erste Leiche bei der Mordkommission erlebt. Eine Tötung auf Verlangen.
    »Im Grünwalder Friedhof ist eine männliche Leiche gefunden worden.«
    Der Sandner schaut zwischen dem Lehnharter und dem Handy hin und her. Ganz Voodoopriester, reckt der Hausmeister beschwörend die Arme, mit Schweißflecken unter den Achseln – ein überdimensionierter Rorschach-Test – und diesem Glotzen, als hätte er plötzlich den fehlenden
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